In Elmshorn zeigt Moderatorin zum Frauentag ihren Film „Wer schön sein will, muss reisen“

Elmshorn. Sie gewinne immer wieder den Eindruck, es sei egal, was sie sage, am Ende ginge es um ihr Äußeres. „Frauen werden sehr viel häufiger auf ihr Äußeres reduziert als Männer“, sagte Tine Wittler am Montagabend im Elmshorner Rathaus. Sie war der Einladung des Frauennetzwerkes gefolgt, das anlässlich des Internationalen Frauentages Tine Wittlers Film „Wer schön sein will, muss reisen“ vor rund 80 Zuschauerinnen zeigte. Darin setzt sich die 41-Jährige gemeinsam mit Filmemacher René Schöttler in Mauretanien mit Schönheitsidealen auseinander. In dem weitgehend unbekannten Wüstenstaat in Nordwestafrika gelten runde Frauen, anders als in Deutschland, als besonders schön.

Die blonde und fröhliche Hamburgerin moderierte zehn Jahre die RTL-Sendung „Einsatz in vier Wänden“. Die Journalistin hat mehrere Romane und Ratgeber veröffentlicht, betreibt in Hamburg, wo sie lebt, die Kneipe Parallelwelt und hat ein eigenes Modelabel „kingsizequeens“. Seit sie in der Öffentlichkeit steht, wird sie immer wieder mit dem Thema Körper konfrontiert – oft subtil. Wenn über Tine Wittler geschrieben wird, dass sie erfolgreich ist, dann heißt es, sie sei dick im Geschäft. Wenn sie verliebt ist, ist sie schwer verliebt. In Interviews wird sie gefragt, wie sie trotz ihrer Körperfülle so selbstbewusst sein könne.

Das bewog sie, die Perspektive zu wechseln und dem Schönheitsideal in der Fremde nachzuspüren. „In dem Film stecken Blut, Schweiß und Tränen“, sagt Wittler. Viereinhalb Jahre brauchte es von der Idee bis auf die Leinwand. Sie gründete zunächst ihre eigene Produktionsfirma Prallefilm, finanzierte das Projekt aus eigenen Mitteln, reiste sechs Wochen durch Mauretanien, um über Zwangsfütterung, Medikamentenmissbrauch und Gesundheitsschäden zu recherchieren. Das war nicht ungefährlich. Das Auswärtige Amt warnt vor Anschlägen und Entführungen. „Einen Tag vor unserem Abflug brach der Arabische Frühling aus“, sagt Wittler. Die Crew entschloss sich, trotzdem zu fliegen. Der Dokumentarfilm zeigt auch, wie das Team in einen Aufstand gerät, Demonstranten das Auto attackieren und mit Steinen die Heckscheibe einwerfen. „In der Situation konnten wir nur auf unseren Fahrer vertrauen“, sagt sie.

In dem Land werden schon kleine Mädchen gezwungen, literweise Kamelmilch zu trinken und große Mengen Essen aufzunehmen. Wer nicht mehr trinken kann, wird mit Stöcken gepiekt oder mit Zangen an den Zehen traktiert. Auch Tine Wittler testete an sich die Zwangsfütterung, die Gavage genannt wird. Sie trank sieben Liter Kamelmilch. „Mir war drei Tage schlecht“, sagt die Filmemacherin. Ein halbes Jahr später erkrankte sie schwer. Die Kamelmilch hatte eine Autoimmun-Krankheit verursacht. Dabei wird die Gavage in Mauretanien über Wochen an Mädchen ab fünf Jahren praktiziert, damit sie mit neun oder zehn Jahren verheiratet werden können. Einige erkranken und sterben.

Lebensmittel sind in Mauretanien teuer. Die günstigere und weit verbreitete Variante der modernen Mästung ist der Medikamentenmissbrauch. Junge Frauen kaufen sich auf dem Schwarzmarkt Pillen, die sonst in der Viehmast eingesetzt werden. Mit fatalen Folgen. Doch manchen Mauretaniern ist die Schönheit wichtiger als die Gesundheit. So berichtet ein Arzt, dass schwer übergewichtige Patientinnen, denen er eine Diät verordne, seinem Rat nicht folgen, weil die Ehemänner eine dünne Frau abstoßend finden.

„Wer schön sein will, muss reisen“ wirft auch die Frage auf, ob es Möglichkeiten gibt, sich von diesem Diktat der Schönheitsideale zu befreien – und wenn ja, wie? So scheint es bei einigen jungen Frauen ein Umdenken zu geben. Sie treiben Sport, um fit zu bleiben. Auch einige Männer erzählten Wittler, dass sie dünne Frauen bevorzugten. Der Grund: Sie haben Zugang zum Internet und damit zu westlichen Pornos. Deren Darstellerinnen sind meist schlank. Die Schlussfolgerung: dünn gleich willig.

Der Film regt zum Nachdenken an, über eigene Ideale, mediale Diktate und die Kraft eines gesunden Selbstbewusstseins. Im Anschluss wollten die Zuschauerinnen wissen, welche Konsequenzen Tine Wittler aus ihrer Reise gezogen habe. Ihre Antwort: „Dass es nicht meine Aufgabe ist, dem Schönheitsideal anderer zu entsprechen.“ Zurück von ihrer Reise engagiert sie sich nun mit der Bewegung „ReBelles“ für Körpervielfalt und Akzeptanz in Gesellschaft und Medien.