Wabe-Chef hat für sein 100-Millionen-Ensemble in Pinneberg Investoren aus Asien im Boot und drückt aufs Tempo

Pinneberg/Hamburg. Ein unansehnlicher Betonklotz am Barmbeker Bahnhof. Im Erdgeschoss eine Bücherhalle. Im fünften Stock die Büros des Bildungsträgers Wabe. Hier hat Marcel Graff seinen Schreibtisch. Bei gutem Wetter reicht der Blick bis zur Elbphilharmonie. Und das passt irgendwie so gar nicht. Denn Graff ist einer, der schnell baut. 14 neue Kindertagesstätten hat sein gemeinnütziger Verein seit 2009 aus dem Boden gestampft. Zwei davon in Pinneberg. 57 Millionen Euro wurden in sechs Jahren investiert. Möglich wurde das, weil der Geschäftsführer die Chancen eines 2008 aufgelegten und bis heute laufenden Krippenprogramms des Bundes erkannt hat. Fördergelder – ein Pfund, mit dem Banken zu überzeugen sind. Graff landete so einen Kindergarten-Coup. Jetzt will er mehr. Einen Bildungscampus für 100Millionen Euro.

In der 42.000-Einwohnerstadt Pinneberg plant Graff auf 73.000 Quadratmetern ein Ensemble zu dem eine Internationale Schule, ein Internat, Sporteinrichtungen, eine Akademie für Erzieher und Pflegekräfte sowie 330 Parkplätze gehören. Graff spricht von einem Bankenkonsortium, das im Hintergrund zusammengestellt worden sei. Investoren kämen auch aus dem Ausland. Und das nicht ohne Grund. Mit der Akademie für Erzieher und Pflegefachkräfte will der Wabe-Geschäftsführer nicht nur eigenen Nachwuchs rekrutieren. Vielmehr sollen Fachkräfte aus anderen Ländern fit für den deutschen Markt gemacht werden. Zudem könnten sogenannte Multiplikatoren ausgebildet und anschließend in ihre Heimatländer entsandt werden. Etwa nach China. Auch dort stehe eine in Peking, Shanghai und Hongkong agierende Investorengruppe bereit, so Graff.

Für die Internationale Schule seien indes keine externen Geldgeber vonnöten. „Das Projekt schultern wir allein“, sagt Graff. 16 Millionen Euro müssten investiert werden. Ziel sei, den Betrieb schon 2016 mit zunächst 60 Kindern zu starten. Die Zahl der Schüler könnte bis auf 1100 steigen. „Der Markt ist da“, so Graff. „In Hamburg gibt es nur eine Internationale Schule mit Wartelisten für die nächsten drei Jahre“, ergänzt Vorstandskollegin Gabriele Gramann. Von der Hamburger Einrichtung wolle man sich abgrenzen, indem das Schulgeld wesentlich niedriger angesetzt und zudem nach Einkommen festgelegt werde. Es sei geplant, mit öffentlichen Schulen in Pinneberg zu kooperieren. „Wir wollen keine Abschottung“, sagt Gramann, die selbst auf Lehramt studiert hat. Es werde keine Schranken, keine Zäune geben.

Knapp zwei Wochen ist es her, dass die ehrgeizigen Pläne des 42-Jährigen Graff in der Kreisstadt vorgestellt wurden. Das hatten seine Projektsteuerer übernommen. Der Geschäftsführer der Wabe weilte zeitgleich im Ausland, verhandelte mit möglichen Partnern und Investoren. Die, das betont Graff, stünden Gewehr bei Fuß. Doch die Zeit dränge, so Graff. „Alle Parteien müssen sich innerhalb der nächsten vier bis sechs Wochen einigen“, gibt er eine hohe Schlagzahl vor.

Und das wird kein Selbstgänger, das räumt der Unternehmer ein. Zum Knackpunkt könnten ohne Zweifel die von der Stadt Pinneberg aufgerufenen Grundstückspreise werden. Einige Flächen hatte sich die Wabe bereits 2013 gesichert – doch für den geplanten Campus nebst Vier-Sterne-Hotel muss noch mal kräftig draufgesattelt werden. 23.900 Quadratmeter sollen hinzugekauft werden. Ein Campus light sei kein Thema. Das betont auch Graffs Projektplaner Thorsten Schütte. „Alle Elemente sind unverzichtbar, das Konzept muss komplett umgesetzt werden.“ Man feile derzeit an den Details für die verkehrliche Erschließung. Eine zweite Zuwegung ist im Gespräch. Schütte ist optimistisch: „Wenn alles glatt läuft, können wir in drei Jahren fertig sein.“

Schnell sein. Für Marcel Graff eine Notwendigkeit. Etwa wenn Fördergelder nach dem Prinzip eines Windhundrennens vergeben werden. Wer als Erster Baupläne sowie ein fertiges und schlüssiges Konzept vorlegen kann, kommt zum Zug. Auch für die Akademie sollen Finanztöpfe angezapft werden. Geld könnte von der Europäischen Union kommen.

Graffs Körperhaltung ist stets dem Gesprächspartner zugewandt. Er lacht viel, weicht keinem Blick aus. Und er gestikuliert. Kein Geschäftsmann von altem, hanseatischem Schlag. Eher einer, der mit Leidenschaft begeistern will. Mit dem bekannten Hotelier Gerd Prantner hat Graff einen Partner im Boot, den man nicht unbedingt in Pinneberg verorten würde. Prantner war 25 Jahre Chef der renommierten Hamburger Nobelherberge „Vier Jahreszeiten“. Er plant neben dem Campus ein Hotel mit bis zu 110 Betten. Auch in Sachen Akademie stünden Partner bereit. Ein Hamburger Krankenhaus hat Interesse, ein Pflegeheimbetreiber ebenfalls. „So ein Projekt ist einzigartig in der gesamten Hamburger Metropolregion“, sagt Schütte.

Das bisherige Konzept sieht laut Graff mögliche Erweiterungen vor. So sei denkbar, dass Tennisplätze, eine Reithalle sowie ein Wellnessbereich entstünden. „Ich habe viel Herzblut in die Sache gesteckt“, sagt der 42-Jährige, der früher Chef einer Außenhandelsfirma war und verheiratet ist. Er lobt die Offenheit, mit der Pinnebergs Bürgermeisterin Urte Steinberg dem Vorhaben begegne: „Sie hat in den vergangenen Wochen einige Male die Kohlen aus dem Feuer geholt.“