Beratungsstelle Pinneberg: Alkohol und Zigaretten ebnen den Weg in die Abhängigkeit

Pinneberg. Geht es um den Rausch, bleibt in der Region das Kiffen zentrales Problem. Cannabis war im Jahr 2014 das meistgenutzte illegale Suchtmittel. Das geht aus der vorläufigen Bilanz der in Pinneberg beheimateten Drogenberatungsstelle hervor. „Der Trend der vergangenen Jahre bestätigt sich somit“, sagt Expertin Ute Freimuth. Etwa 40 Prozent der erfassten Süchtigen sprächen dem Cannabis zu. Synthetische Rauschmittel spielten in den Beratungsgesprächen derzeit dagegen eine untergeordnete Rolle.

Die Hauptklientel der Institution ist laut Freimuth zwischen 16 und 25Jahren alt. Fünf von insgesamt 177 Betroffenen, die Hilfe suchten, hätten das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht. In Ausnahmefällen würden illegale Drogen auch schon vor der Pubertät konsumiert. Beim Einstiegsalter seien jedoch in Pinneberg in den vergangen Jahren keine signifikanten Ausschläge zu verzeichnen.

Etwa 1000 Beratungsgespräche führten die Experten der Einrichtung im vergangenen Jahr. Es kommen nicht nur Konsumenten, sondern auch besorgte Angehörige. Die Sozialpädagogen sind auch für Umlandgemeinden wie Appen, Kummerfeld und Prisdorf zuständig. Zweigstellen gibt es in Elmshorn und Wedel. Finanziert wird die Arbeit der Suchtberater vom Kreis Pinneberg, mit dem Verträge bis ins Jahr 2017 existieren – und dem Freimuth und ihre Kollegin Margit Lemke regelmäßig Bericht erstatten.

Als klassische Einstiegsdroge in eine Suchtkarriere will Freimuth Cannabis nicht bezeichnen. Vielmehr ebneten zumeist Alkohol und Zigaretten den Weg in den Missbrauch von Suchtmitteln. Konsumiert würden Hanfprodukte in Pinneberg und Umgebung vornehmlich im privaten Raum. Aber auch öffentliche Orte wie die Appener Kieskuhle und der Pinneberger Rosengarten seien Treffs für Kiffer. Der Joint ist nur eine Möglichkeit, den Stoff zu sich zu nehmen. Auch als Tee wird Cannabis gehandelt. Vor allem jüngere Menschen setzten zunehmend auf den schnellen Rausch und nutzten eine bestimmte Art von Wasserpfeife, die sogenannte Bong. Darin kann die Droge auch pur geraucht werden. Die Wirkung des enthaltenen Stoffs Tetrahydrocannabinol (THC), der auf das zentrale Nervensystem des Menschen wirkt, wird so um ein Vielfaches verstärkt. „Es geht den Konsumenten hauptsächlich um eine intensivere Ausnutzung des Stoffs“, sagt Freimuth.

Ein Phänomen für die Experten der Beratungsstelle: Gerade jüngere Kiffer nehmen Cannabis oft gar nicht mehr als verbotene Droge wahr. Es sei längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. „Für viele Jugendliche gilt der Konsum quasi als legal.“ Ein Grund: Es sei in der Regel überhaupt kein Problem, an den Stoff zu kommen.

Sechs Gramm Cannabis gelten in Schleswig-Holstein derzeit als geringe Menge. Wer erwischt wird, muss mit einer Anzeige rechnen. Das Strafverfahren wird zumeist eingestellt. Doch selbstverständlich ist das keineswegs. Wer etwa mit einem Joint vor einer Schule oder auf einem Spielplatz ertappt wird, muss sich auf härtere Konsequenzen einstellen.

Die Konsumenten blendeten laut Freimuth häufig aus, dass Erwischtwerden schwere Folgen haben könne, wenn es ums Autofahren geht. So habe eine Anzeige auch bei eingestelltem Verfahren immer eine Meldung ans Straßenverkehrsamt zur Folge. Jugendliche, die einen Führerschein erwerben wollen, müssten mit Problemen rechnen. Womöglich würden gar langwierige medizinische Tests angeordnet. Der in Cannabis enthaltene Stoff THC ist Monate lang nachweisbar.

Dass Cannabis bei bestimmten Erkrankungen, etwa Körperlähmung mit Spastiken, eine entspannende Wirkung hat, ist unbestritten. Aktuell wird in Deutschland kontrovers über die in anderen Ländern längst vollzogene Freigabe diskutiert. „Es ist sinnvoll, Cannabis im medizinischen Bereich einzusetzen“, meint Freimuth. Eine grundsätzliche Freigabe des Rauschmittels wie etwa in den Niederlanden oder dem US-Bundesstaat Colorado sieht sie jedoch kritisch.

Die Modedroge Crystal Meth spielt in Pinneberg derzeit so gut wie keine Rolle. „Es gibt immer wieder Menschen, die den Stoff probieren, aber es ist kein Massenkonsum zu verzeichnen“, so Beraterin Margit Lemke. Ralf Schröder, der in Elmshorn Süchtige berät, bestätigt dies. „Crystal ist derzeit kein Thema, könnte aber zu einem werden.“ Auch in der Krückaustadt griffen vor allem junge Menschen hauptsächlich zu Cannabisprodukten.

Dass es einen Markt für den Stoff gibt, bekommt auch die Polizei zu spüren. Hanfanbau in den eigenen vier Wänden wird immer beliebter. Landesweit wurden im vergangenen Jahr 55Plantagen entdeckt. Zum Vergleich: 2007 waren den Ermittlern nur 13Selbstanbauer ins Netz gegangen.