Die SPD in der Kreisstadt feiert im März ihr 150-jähriges Bestehen. Die Partei erlebte Zuspruch, Verfolgung, Siege, Niederlagen und besondere Besuche

Es ist das Jahr 1972, als Herbert Hoffmann sich für das SPD-Parteibuch entscheidet. Das Jahr, in dem Bundeskanzler Willy Brandt ein Misstrauensvotum übersteht. Das Vertrauen des Mittzwanzigers Hoffmann hat Brandt damals ohnehin. Auch er will „mehr Demokratie wagen“.

Heute, 43 Jahre später, mischt Herbert Hoffmann als Urgestein der Pinneberger SPD immer noch voll mit. Der langjährige Parteichef sitzt im Rat, kümmert sich um die Pressearbeit – und bereitet gemeinsam mit seinem Nachfolger Kai Vogel die Feierlichkeiten zum 150-jährigen Bestehen der Partei in Pinneberg vor. Wer sollte das auch sonst tun? „Herbert Hoffmann hat Tonnen von historischem Material im Keller“, sagt Kai Vogel. Und jede Menge Erinnerungen im Kopf.

Etwa an Besuche großer Sozialdemokraten in seiner Heimat. Er habe sämtliche Kanzlerkandidaten persönlich kennengelernt, die während seiner politischen Karriere nominiert wurden. Mit Oskar Lafontaine leerte Hoffmann im „Cap Polonio“ manches Glas Wein. Der Saarländer beeindruckte ihn besonders. Der sei ein streitbarer, starker Charakter gewesen. Sein großes Vorbild Brandt war schon vor seiner Zeit in Pinneberg zu Gast. Im Jahr 1965. „Damals haben sich die Leute um die Plätze gekloppt“, sagt Hoffmann. Er hat die überlieferten Fotos digitalisiert, bewahrt auf diese Weise die Geschichte der Pinneberger SPD.

Die nimmt im Frühjahr 1865 ihren Anfang. 62 Gründungsmitglieder kommen am Nachmittag des 19. März zusammen, um einen Ableger des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) aus der Taufe zu heben, den Ferdinand Lassalle zwei Jahre zuvor initiiert hat. Mit der 1869 gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) vereinigt sich der ADAV im Jahr 1875 zur SPD.

Der überlieferte Bericht einer sogenannten Lusttour des Pinneberger ADAV zeugt vom großen Zuspruch. Im Juli 1865 setzt sich ein Zug in Richtung Kummerfeld in Bewegung. Unter den Klängen des Marseiller Marsches gesellen sich Mitglieder der Liedertafel hinzu. Es folgen weitere Verbrüderungsfeste der Arbeiterbewegung. Und es folgt 1878 das sogenannte Sozialistengesetz. Der Versuch konservativer Kräfte im Deutschen Kaiserreich, die Arbeiterbewegung im Keim zu ersticken.

Ein Versuch, der scheitert. Auch in Pinneberg organisiert sich die Arbeiterschaft. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder nimmt zu. Nach dem Ersten Weltkrieg dominieren die Sozialdemokraten den Stadtrat, von 24 Abgeordneten besitzen 15 das rote Parteibuch. Am 19. August 1923 wird der Genosse Wilhelm Burmeister zum Bürgermeister gewählt. Zehn Jahre später stehen die Nazis vor der Tür. Sie verhaften Stadtverordnete der SPD, verschleppen einige in Konzentrationslager.

Dass die Sozialdemokratie in der Stadt das Joch der Nationalsozialisten überlebt hat, zeigt sich bereits im September 1946. Die SPD setzt sich bei der ersten Wahl nach dem Krieg durch. Mitglied Richard Köhn wird zum Bürgermeister gewählt. Frauen spielen in der Partei künftig eine wichtige Rolle. Emma Bohnemann wird bis 1970 Mitglied der Ratsversammlung bleiben – und sich massiv für das Vorankommen der Frauen in der Politik einsetzen. Die Sozialdemokraten halten in den ersten beiden Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg im Rathaus klar das Zepter in der Hand.

Irrungen, Wirrungen, viel Leid, noch mehr Leidenschaft – Herbert Hoffmann hat einen Teil der SPD-Historie in Pinneberg miterlebt. So wird er Zeuge einer Führungskrise Mitte der 70er-Jahre. Viele Mitglieder verlassen damals die Partei, die Wahl 1974 geht krachend verloren. In den Folgejahren kommt die Konsolidierung. 2005 folgt erneut ein Bruch. Die CDU weist Pinnebergs SPD in die Schranken, gewinnt deutlich die Wahl.

2008 dann der Erdrutschsieg der Sozialdemokratin Kristin Alheit. Sie wird Pinnebergs Bürgermeisterin. „Ein großer Schub für die Partei“, erinnert sich Kai Vogel. Im November 2012 steht die SPD mal wieder vor einer Zerreißprobe. Hoffmann spricht sich für die parteilose Urte Steinberg als Nachfolgerin der nach Kiel abgewanderten Kristin Alheit aus. Er muss kämpfen, stellt sogar sein Amt als Parteichef zur Verfügung – und setzt sich letztlich gegen parteiinterne Widerstände durch. Ein Jahr später nimmt Hoffmann seinen Hut und übergibt an Vogel.

An charismatischen Weggefährten fehlte es Herbert Hoffmann nie. Dieter Tietz etwa, 1978 zum Fraktionschef gewählt, streitet noch heute an seiner Seite. Hartmuth Wrocklage, ab 1976 Parteichef an der Pinnau, wurde später Innensenator in Hamburg. Nicht zu vergessen Bernd Schröder, der sich als Landtagsabgeordneter jahrelang in Kiel für die Interessen seiner Heimatstadt einsetzte – und 2013 nach langem Kampf einer Krebserkrankung erlag. „Ein Freund“, wie Hoffmann sagt. Und ein Politiker, der stets Mensch geblieben sei.

Herbert Hoffmann hat Sozialdemokraten kommen sehen. Er hat einige gehen sehen. Er blieb treu. Seine Genossen dankten es ihm. Sie haben ihn zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit gemacht. Für die Zukunft der Partei ist Kai Vogel zuständig. Er sitzt für die SPD im Landtag, ist zudem Mitglied der Ratsversammlung. Und der Bildungsexperte blickt optimistisch in die Zukunft – obwohl die Zahl der Parteimitglieder seit den 1970er-Jahren von 600 auf 180 zurückgegangen ist. Das sei ein Phänomen, das alle politischen Gruppierungen betreffe.

Pinnebergs SPD sei vor allem im Nachwuchsbereich gut aufgestellt, sagt Vogel. „Was uns jedoch fehlt, sind Mitglieder mittleren Alters“, so der 46-Jährige. Engagierte Menschen, die voll im Berufsleben stünden. Aber ehrenamtliche Kommunalpolitik koste viel Zeit. „Und die Jobs werden immer härter“, sagt Vogel, der 1989 in die Partei eintrat und Björn Engholm als Vorbild nennt.

Nach Schwerpunkten der künftigen Arbeit befragt, muss Vogel nicht lange überlegen. „Die Konsolidierung des städtischen Haushalts steht über allem.“ Ein Weg sei die Ausweisung neuer Gewerbegebiete. Die Sanierung der Pinneberger Schulen sei ebenfalls ein Thema, das die kommenden Jahre beherrschen werde.

Herbert Hoffmann räumt ein, dass auch die Sozialdemokraten Verantwortung für die derzeitige Schuldenkrise der Kreisstadt tragen: „Niemand in der Politik ist unschuldig.“ Es nütze jedoch nichts zurückzublicken. „Pinneberg muss jetzt sein Gesicht verändern“, so der 67-Jährige. Sein Nachfolger ergänzt: „Und wir wollen der Stadtverwaltung in diesem Prozess ein verlässlicher Partner sein.“

Die Feier zum 150-jährigen Bestehen steigt am Sonntag, 22. März, in der Pinneberger Drostei. Das Fest beginnt um 11 Uhr, unter anderem wird SPD-Landeschef Ralf Stegner erwartet.