Panikschreie von Artgenossen und Rufe von Raubvögeln sollen den unbeliebten Vögeln die Innenstadt verleiden

Elmshorn. In Elmshorn startet in dieser Woche ein landesweit einmaliges Pilotprojekt: Die Stadt will mit einer speziellen Methode die Saatkrähen an der Bismarckstraße vergrämen. Dort stehen besonders viele städtische Gebäude. Über Lautsprecher, die an der Bismarckschule angebracht werden, sollen Panikschreie von Artgenossen, die während einer Beringungsaktion aufgenommen wurden, sowie Rufe von Greifvögeln die unliebsamen Rabenvögel verscheuchen.

Bislang hatte man versucht, sie mit Schreckschüssen und dem Entfernen ihrer Nester aus der Innenstadt zu treiben. Das wird am Buttermarkt und am Alten Markt weiterhin an neuralgischen Punkten wie Außenrestauration, Marktständen oder Spielplätzen versucht. Im Park neben dem Rathaus dürfen die Krähen weiter ungestört nisten. Allerdings waren die Maßnahmen bislang nicht von dauerhaften Erfolg gekrönt. Während die herkömmlichen Vergrämungsaktionen aus Naturschutzgründen bis zum 15. März abgeschlossen sein müssen, hat das Landesamt den Einsatz des neuen Gerätes darüber hinaus erlaubt. Das Datum orientiert sich an Vorgaben für Gehölzschnitt, das Brutvögel schützt.

Normalerweise leben Saatkrähen in offenen Landschaften, wo sie in größeren Baumgruppen nisten. „Die Vögel haben es in unserer Umwelt zunehmend schwer“, sagt Jörg Schmidt-Hilger vom Amt für Stadtentwicklung, der für die Durchführung des Projektes verantwortlich ist. Durch die zunehmende Vernichtung der natürlichen Lebensräume weichen sie mehr und mehr in die Innenstädte aus. „Saatkrähen brüten bevorzugt dort, wo sich ihnen günstige Nahrungsangebote bieten. Und im Müll finden sie davon reichlich.“

Besonders zwischen März bis Juni, der Brutzeit, gehen bei Schmidt-Hilger und seinen Kollegen in größerem Umfang Beschwerden von Anwohnern ein. Grund sind die Saatkrähen, die mit ihrem Kot und herabfallende Ästen die Gegend verschmutzen, sich im unbeobachteten Moment etwas vom gedeckten Tisch auf dem Balkon stibitzen oder in frühen Morgenstunden scheinbar unerträglichen Lärm machen. „Saatkrähen gelten als äußerst kommunikative Vögel“, sagt der Rathausmitarbeiter. Experten gehen davon aus, dass eine Kolonie wenigstens 20 Brutpaare beherbergen muss, um als stabil zu gelten. Doch während das Krächzen für die Krähen eine wichtige soziale Funktion ausübt, wird es von den Menschen oftmals als störend empfunden.

Nun soll das unscheinbare Gerät der Firma Ornitec aus Bosau (Kreis Ostholstein) zum Einsatz kommen. „Auf Sylt und Helgoland wurde es erfolgreich gegen Möwen eingesetzt“, sagt Schmidt-Hilger. „Nun schauen wir, ob es auch bei Krähen wirkt.“ Rund 3000 Euro kostet die Anschaffung samt Montage. Die Vogelschreie werden in willkürlichen Intervallen abgespielt, damit kein Gewöhnungseffekt eintritt. Denn wie sich beim Einsatz von Schreckschusspistolen gezeigt hat, merken die hochintelligenten Tiere rasch, wenn keine unmittelbare Gefahr besteht.

Abgeschossen werden darf die Saatkrähe nicht. Sie unterliegt den Bestimmungen der Europäischen Vogelschutzrichtlinie und den Regularien des Paragrafen 44 im Bundesnaturschutzgesetz. Die besagen, dass Saatkrähen nicht getötet und ihre Brut- und Lebensstätten nicht zerstört werden dürfen. „Ein Abschuss wäre aus Sicht des Jagdrechts in der belebten Innenstadt auch gar nicht praktikabel“, so Schmidt-Hilger. In der gesamten Bundesrepublik ist die Krähe im Bestand gefährdet. Für 2008 vorliegende Zahlen zeigen, dass der Gesamtbestand in Deutschland bei 75.000 Brutpaaren liegt. 1000 davon haben sich in Elmshorn niedergelassen. „Schleswig-Holstein beherbergt rund ein Drittel des Gesamtbestandes an Saatkrähen in Deutschland“, sagt Schmidt-Hilger. Da sich deutschlandweit die Situation nur langsam ändere, komme dem Bestand in Schleswig-Holstein – und somit in Elmshorn – eine besondere Bedeutung zu.

Wer auf eigene Faust versucht, die Brut zu stören, Eier aus dem Nest nimmt oder gar Vögel tötet, muss mit empfindlichen Geldbußen rechnen. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wie in Elmshorn der Fall, genehmigt das zuständige Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume die Vergrämung. „So ein Ausnahmefall tritt ein, wenn die Vögel zum Beispiel an einem Kinderspielplatz oder einer Schule brüten“, sagt er. Denn der Kot könne Krankheitserreger übertragen. Die Brutkolonie wird zwar von einem Standort vertrieben, kann sich allerdings an einer anderen Stelle in kleineren Gruppen neu bilden. Die Saatkrähen werden quasi umgelenkt.

Damit die Vergrämung in der Stadt dauerhaft Erfolg hat, sollten die Krähen nicht gefüttert werden, so Schmidt-Hilger. Achtlos weggeworfene Nahrungsabfälle ziehen die Vögel an. Auch Lebensmittelreste auf dem Kompost werden gern genommen. Die Tiere kehren immer wieder zu ihren Quellen zurück.