Pinneberger Modell wird kreisweit angewandt. Dagmar Burghardt übernimmt die Leitung der Beratungsstelle

Pinneberg. Mediensucht? Ein Thema, mit dem oft leichtfertig umgegangen wird. Viele Menschen unterschätzen die Suchtgefahr bei Internet, Computerspielen und Fernsehen. Alkoholismus oder Drogenmissbrauch sind als Süchte bekannt, aber das Internet wird oft noch eher mit einem Hobby verbunden als mit einer Sucht.

Das müsse sich ändern, sagen die Suchtberater in der Pinneberger Zweigstelle des Diakonischen Werks Hamburg-West/Südholstein an der Bahnhofstraße. Menschen könnten bei Medien die gleichen Suchtsymptome zeigen wie bei Alkohol oder Drogen. Zum Beispiel starken Konsumdrang oder das Vernachlässigen sozialer Kontakte mit Freunden und Familie. In Pinneberg gibt es schon seit Jahren ein entsprechendes Beratungsangebot bei problematischer Mediennutzung.

Seit Neujahr, so hatte die Kreisverwaltung beschlossen, bieten alle Suchtberatungen im Kreis das Pinneberger Modell an, das klassische Beratungskonzepte wie Kriseninterventionen beinhaltet und einen kontrollierten Umgang mit Computer und Co. fördert.

Mit Dagmar Burghardt hat die Suchtberatung in der Kreisstadt nun auch eine neue Leiterin. Anfang Februar hat sie die Geschicke von Maike Kleber übernommen, die sich selbstständig gemacht hat. Seit zwei Jahren ist Burghardt in der Pinneberger Suchtberatung aktiv. Viel ändern will sie erst einmal nicht. „Frau Kleber hat gut gearbeitet“, sagt die 53-Jährige. „Aber wir müssen uns natürlich weiterentwickeln.“ Das gelte auch für die Beratung bei Mediensucht. Obwohl die Pinneberger Suchtberatung hier eine Vorreiterrolle im Kreis einnimmt, müsse weiterhin viel getan werden.

Außerdem will Burghardt mehr für Kinder aus von Sucht betroffenen Familien tun. „Wir müssen die Belastung für die Kinder abfedern“, sagt sie. Es gelte Wege aufzuzeigen, wie Kinder mit der Sucht ihrer Eltern umgehen können. Sie müssten merken, dass ein Problem vorliegt. Im Jahr 2014 betreute die Pinneberger Suchtberatung 442 Fälle. Bei den meisten Ratsuchenden gibt es Probleme mit Alkohol, Zigaretten, Glücksspiel, Medien oder Essstörungen. Fälle mit „harten“ oder illegalen Drogen zählen nicht dazu. Für die ist nicht die Diakonie, sondern das Suchttherapiezentrum zuständig.

„In vielen Fällen beraten wir nicht die Süchtigen selber, sondern die Angehörigen“, so Burghardt. Häufig würden diese allerdings in die falsche Richtung denken und falsch handeln. Die Suchtberaterin spricht von einer Ko-Abhängigkeit, in der Angehörige die negativen Konsequenzen einer Sucht abfedern. Es sind gerade die Angehörigen, die das Gespräch suchen sollten, wenn sie eine Sucht vermuten. Nicht ganz einfach. „Sucht ist mit vielen Tabus belegt“, sagt Burghardt. Daher müsse man sie zunächst „aus der Sprachlosigkeit herausholen“.