Wendepunkt Elmshorn übernimmt Beratung für Menschen, die in der Nordkirche sexuelle Übergriffe erlebt haben

Elmshorn. Die Nordkirche möchte keinen Raum für Missbrauch bieten, so die Botschaft auf dem Plakat. Mit diesem soll für die neue Einrichtung UNA –Unabhängige Ansprechstelle für Menschen, die in der Nordkirche sexuelle Übergriffe erlebt oder davon erfahren haben – in Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern geworben werden. Angesiedelt ist die Anlaufstelle für Opfer sexuellen Missbrauchs beim Wendepunkt in Elmshorn. Die 30 Mitarbeiter dort blicken auf 23 Jahre Erfahrung in diesem Bereich zurück. Die gewaltpräventive Einrichtung bietet im Kreis Pinneberg und in Hamburg eine Vielzahl an Maßnahmen und Angeboten, um körperliche, psychische und sexuelle Grenzverletzungen früh zu erkennen, kompetent einzugreifen und für die Zukunft verhindern zu helfen.

„Die evangelisch-lutherische Kirche in Norddeutschland hat uns beauftragt, für sie als unabhängige Ansprechstelle tätig zu werden“, sagt die Geschäftsführerin des Wendepunktes, Ingrid Kohlschmitt. Der Vertrag wurde zunächst für vier Jahre geschlossen. „Junge wie ältere Menschen, die von sexualisierter Gewalt betroffen sind, sollen frei von der Institution Kirche, wo sie eine schlimme Erfahrung gemacht haben, so schnell wie möglich Klärung und weiterführende Hilfe bekommen.“

Zielgruppe sind auch Kinder und Jugendliche, die beispielsweise auf Ferienfreizeiten von anderen Kindern und Jugendlichen missbraucht wurden, aber auch Zeugen, Angehörige und Mitarbeiter können sich an die UNA wenden. Gerade aus letzterem Bereich habe es erste Anfragen gegeben. „Kita-Erzieher wollten wissen, was sie konzeptionell tun können, um Missbrauch von vornherein zu verhindern“, so Kohlschmitt. Beschuldigte vermittelt UNA an geeignete Stellen in deren Umgebung weiter. So werden Täter-Opfer-Überschneidungen ausgeschlossen.

„Wir können nicht die Augen davor verschließen, dass es auch in kirchlichen Einrichtungen sexuelle Übergriffe gegeben hat und gibt“, sagt Propst Thomas Drope. Die Nordkirche, die 13 Kirchenkreise von Sylt bis Usedom umfasst und 2,25 Millionen Mitglieder, 24 Schulen sowie 824 Kindertagesstätten hat, setzt verstärkt auf Präventionsarbeit.

Wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen auch, müsse man damit rechnen, dass es Menschen gibt, die zu Tätern werden. „Umso wichtiger ist dann konsequentes Handeln und vor allem möglichst schnelle Hilfe für Betroffene, damit sie selbst wieder handlungsfähig werden“, sagt Drope. „Der Kirche werden Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene anvertraut, die vor sexueller Gewalt und Grenzverletzungen geschützt werden müssen.“

Die Beratung ist für die Hilfesuchenden kostenlos und auf Wunsch anonym

In den vergangenen Jahren hatten Missbrauchsskandale auch die Nordkirche erschüttert. So wurde 2010 bekannt, dass der Ahrensburger Pastor Dieter K. sich jahrzehntelang an Jugendlichen vergriffen hatte. Diese hatten sich zum Teil anderen Seelsorgern anvertraut, die aber unter dem Deckmantel der Schweigepflicht die Vorfälle verschwiegen. Zudem kam es in einer evangelischen Kita in Hamburg-Schnelsen zwischen September 2012 und Februar 2013 zu Übergriffen auf Kinder. Ein Erzieher hatte kinderpornografische Fotos von seinen Opfern gemacht. Im Oktober 2014 präsentierte eine unabhängige Expertenkommission einen Zehn-Punkte-Plan gegen Missbrauch in kirchlichen Einrichtungen. Ein Punkt sah die Schaffung einer unabhängigen Beratungsstelle vor. Nun wird diese in Elmshorn in die Tat umgesetzt. Vier Beratungsstunden pro Woche finanziert die Nordkirche. Bei Bedarf kann die Stundenanzahl ausgeweitet werden.

Der UNA komme vor allem eine Lotsenfunktion zu, betont Kohlschmitt. Eine längere Beratung oder gar eine Therapie könne die Ansprechstelle selbst nicht bieten. „Es geht uns um einen unvoreingenommenen, unabhängigen ersten Kontakt. Wir hören Betroffenen und ihrem Umfeld zu.“ Gemeinsam werden weitere Handlungsschritte erarbeitet. „Wir vermitteln an kompetente Stellen im Umfeld.“ So hätten einige Kirchenkreise bereits einen Krisenstab und externe Beratungsstellen vor Ort eingerichtet. „Dort, wo das noch nicht der Fall ist, bietet künftig der Wendepunkt seine Hilfe an“, sagt Kohlschmitt.

Auf Wunsch bleibt die Beratung anonym. Die Schweigepflicht wird allerdings aufgehoben, wenn Kinder und Jugendliche oder auch Erwachsene unmittelbar gefährdet sind. Das wird im Einzelnen besprochen. „Unsere Beratungen sind kostenfrei. Das gilt auch für den Anruf bei uns“, sagt Kohlschmitt. „Außerdem informieren wir und veranstalten Fortbildungen, damit betroffene junge Menschen wahrgenommen werden und Handlungskompetenzen wachsen können.“

Die UNA-Mitarbeiter Diplompsychologe Dirk Jacobsen und Diplompädagogin Michaela Klann – beide haben Zusatzausbildungen in der Traumatherapie absolviert – sind montags von 9 bis 11 Uhr und mittwochs von 15 bis 17 Uhr zu erreichen über die kostenfreie Telefonnummer 0800/0220099und per Mail an una@wendepunkt-ev.de .