Gewerkschafter haben bis Ende März bundesweite Ratgeber-Hotline geschaltet und rechnen mit 4400 Betroffenen im Kreis Pinneberg

Kreis Pinneberg. Der zum 1. Januar eingeführte Mindestlohn von 8,50Euro wird nach den Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) 4400 der 55.835 Vollzeitbeschäftigten im Kreis Pinneberg besserstellen und so den Konsum ankurbeln. Gleichwohl sei die Verunsicherung bei vielen Arbeitnehmern und Arbeitgebern groß, was die konkrete Umsetzung des neuen Bundesgesetzes angeht. Das ist das Ergebnis eines Informationsgespräches, das der Kreisvorstand der Grünen mit der Bezirksgruppe der Gewerkschaft ver.di in Elmshorn geführt hat, die 20.000 Mitglieder in den Kreisen Pinneberg und Steinburg zählt.

So riefen zurzeit täglich 350 Menschen bei der bundesweit geschalteten Hotline des DGB (Telefon: 0391/4088003) an, um zu erfahren, ob sie einen Rechtsanspruch haben und wie sie diesen durchsetzen können, berichtet ver.di-Geschäftsführer Ralf Schwittay. Auch manche Arbeitgeber fragten da an, wie sie die Regelung am besten umsetzen sollen, statt sich an ihre Verbände zu wenden, wundert sich Schwittay. Sogar Steuerberater seien unter den Anrufern, die wissen wollten, wie sie die Lohnabrechnung richtig machen.

Während größere Unternehmen, die ohnehin einem Tarifvertrag unterliegen, der über dem Mindestlohn steht, das Mindestlohngesetz zumeist problemlos anwenden würden, hätten kleinere da ihre Schwierigkeiten oder versuchten, es zu unterlaufen, berichtet Schwittay. Einige kürzten die Stundenzahl ihrer Mitarbeiter, um ihnen weiterhin den gleichen Lohn auszuzahlen. Andere senkten faktisch den Stücklohn, sodass bei Beibehaltung der bisherigen Arbeitszeit und des bisherigen Lohns rechnerisch die 8,50 Euro je Stunde erreicht würden. Der betroffene Arbeitnehmer könnte sich dagegen zwar rechtlich wehren, scheue aber das Pochen auf sein Recht oder gar eine juristische Auseinandersetzung mit seinem Arbeitgeber – aus Angst, den Job zu verlieren.

Für die Politik sei es wichtig, darauf zu achten, dass bei öffentlich geförderten und finanzierten Dienstleistungen der Mindestlohn eingehalten werde, betont Grünen-Kreisvorstandssprecherin Resy de Ruijsscher. Dazu zählt sie Reinigungskräfte, Anbieter von Catering und Mensa-Verpflegung in Schulen und Kindergärten sowie die Angestellten in Sportvereinen. Auch ihre Partei habe zum Jahreswechsel sämtliche Beschäftigungsverhältnisse daraufhin untersucht, sagt die Grünen-Politikerin.

Zudem lasse das Mindestlohngesetz Ausnahmen zu, die die Grünen-Sprecherin für bedenklich hält. Dass Langzeitarbeitslose erst nach einem halben Jahr Beschäftigung Anspruch auf den Mindestlohn haben, sei gefährlich, weil Arbeitgeber dies ausnutzen könnten. Dies scheine auch die Bundesregierung erkannt zu haben, die nächstes Jahr die Wirkung des Gesetzes auf den Arbeitsmarkt überprüfen wolle, ergänzt Schwittay. Der Gewerkschaftssekretär geht davon aus, dass die Zahl der rund 2700 Aufstocker im Kreis, die also ihr Gehalt von bis zu 850 Euro im Monat mit Zuschüssen aus Hartz-IV verbessern, sinken müsste. Diese Einschätzung teilt Jörg Kregel vom Jobcenter in Elmshorn nur bedingt. Studien gingen davon aus, dass lediglich fünf Prozent der bundesweit 1,3 Millionen Aufstocker nun auf staatliche Leistungen verzichten könnten.