Wer nach Ladenschluss Medikamente braucht, muss im Kreis Pinneberg deutlich längere Wege zurücklegen als bisher

Kreis Pinneberg. Der Weg zur nächsten Notdienst-Apotheke – er hat sich seit Jahresbeginn teilweise erheblich verlängert. Grund ist eine landesweite Neuorganisation des Notdienstes, den die Apothekerkammer Schleswig-Holstein verfügt hat. Gegen diese Regelung laufen die ersten Ärztevertreter Sturm – allen voran Dr. Marc Dupas, Facharzt für Allgemeinmedizin aus Uetersen und verantwortlich für den ärztlichen Notdienst im Kreis.

„Ich leiste selbst häufig den Notdienst. Immer öfter muss ich Patienten mit dem Rezept, das ich ihnen ausstelle, kilometerweit bis zur nächsten Apotheke schicken.“ Kreisweit gibt es zwei Anlaufpraxen in Elmshorn und Pinneberg, die außerhalb der Sprechzeiten der Arztpraxen Notfällen offen stehen. Dupas: „Vor kurzem hatte ich in Pinneberg Dienst. Eine ältere Dame, die nicht mobil war, erhielt von mir ein Rezept. Die nächstgelegene Apotheke, die geöffnet war, befand sich in Wedel.“ Für Dupas ein Unding: „Aus meiner Sicht muss es im direkten Umfeld der Anlaufpraxen eine geöffnete Apotheke geben.“

Das neue System der Apothekerkammer berücksichtigt derartige Dinge nicht. Eine Software berechnet, welche Apotheke den 24-stündigen Notdienst übernimmt. Laut den Vorgaben beträgt die maximale Entfernung, die Patienten in Mittelstädten mit 20.000 bis 70.000 Einwohnern zurücklegen müssen, 16 Kilometer. Für Orte zwischen 5000 und 20.000 Einwohnern sind es 23 Kilometer, in Kommunen mit weniger als 5000 Bürgern 38 Kilometer. Das neue System soll die Dienstverteilung für die 692 Apotheken in Schleswig-Holstein gerechter gestalten. Erstmals müssen alle Pharmazeuten Nachtdienste übernehmen. Nachts sowie an den Wochenenden nach Ladenschluss gibt es kreisweit lediglich zwei Notdienstapotheken.

„Es ergibt sich tatsächlich eine Entlastung für uns Apotheker“, sagt Christopher Schwartz, Inhaber der Pinneberger Adler-Apotheke. Im Vergleich zum vorigen Jahr müsse er weniger Nachtdienste leisten. Schwartz sieht auch die zentrale Organisation als Vorteil. Vorher war der Kreis in mehrere Apothekenringe eingeteilt, die selbstständig ihren Notdienst organisiert haben. „Die Ringe haben sich nicht mit den Nachbarringen abgestimmt. Manchmal waren zwei geöffnete Apotheken nur zwei Kilometer entfernt, in anderen Fällen war ein großes Gebiet unversorgt.“

Schwartz kritisiert jedoch ebenso wie Dupas, dass nicht immer im Umfeld der Anlaufpraxen eine Medikamentenabholung möglich ist. „Das ist nicht zu Ende gedacht.“ In Pinneberg etwa sei nachts nur an einem Drittel des Jahres eine Apotheke geöffnet. „Patienten müssen teilweise einen langen Weg zur Anlaufpraxis zurücklegen, dann fahren sie kilometerweit zur nächsten Apotheke und dann müssen sie noch zurück nach Hause.“ Hier wären aus Sicht von Schwartz Nachbesserungen wünschenswert.

Der Pinneberger Pharmazeut könnte sich vorstellen, dass nach Ladenschluss zumindest Teildienste, also Dienste bis zu einer bestimmten Uhrzeit in der Nacht, im Umfeld der Anlaufpraxen angeboten werden. „Erfahrungsgemäß sind die Notdienst-Apotheken bis zum späten Abend gut frequentiert, nach Mitternacht kommen dann nur noch ein bis zwei Patienten.“ Teildienste hat es bis Ende 2014 gegeben, sie wurden mit Einführung des neuen Systems abgeschafft.

„Auch im alten System gab es längere Fahrstrecken“, so Stefan Zerres, Justiziar der Apothekerkammer. Er erinnert daran, dass Pinneberg schon seit Jahren einen Notdienstring mit Wedel gebildet hatte, sodass Fahrten in die Rolandstadt keine Seltenheit waren. Elmshorn sei bisher mit Tornesch und Uetersen verbunden gewesen. „Sicherlich muss man jetzt häufiger mal aus der Stadt rausfahren, das ist so“, so Zerres weiter. Landesweit sei die Zahl der Volldienste nahezu unverändert geblieben. Statt 12.654 Diensten in 2014 sind für dieses Jahr 12.616 vorgesehen. „Wir haben uns ganz Schleswig-Holstein angesehen, die Verteilung ist jetzt anders.“ Nachbessern will die Kammer aktuell nur bei der Tauschregelung, die von den Apothekern sehr häufig genutzt wird und die zu hohem organisatorischem Aufwand führt. Das System an sich soll 2015 nicht angefasst werden.