Ursula und Georg Martinsteg erhalten den Ehrenpreis der Stadt für ihr Engagement

Schenefeld. Wenn die Martinstegs morgens in ihrem Einfamilienhaus in Schenefeld aufwachen, fällt ihr Blick auf eine Sammlung plattdeutscher Literatur. Diese ist auch unübersehbar. Denn das zwei Meter lange Regal schlängelt sich genau gegenüber dem Doppelbett entlang der Schlafzimmerwand. Viel Platz ist darauf nicht mehr. Einige Werke hat das Ehepaar gekauft, doch die meisten Bücher wurden ihnen geschenkt.

Es hat sich herumgesprochen, dass Ursula und Georg Martinsteg ein Herz für das Niederdeutsche haben. Sie besuchen alle plattdeutschen Theaterstücke in der Region, sind Mitglied im plattdeutschen Krink und sie organisieren einmal im Monat eine plattdeutsche Lesung in ihrer Heimatstadt – die nächste übrigens am Mittwoch, 14. Januar, von 16 Uhr an.

Die Veranstaltungsreihe ist Kult. Regelmäßig braucht es in der Teestube des Jugend- und Kommunikationszentrums Schenefeld (JUKS) weitere Stühle, damit alle Besucher Platz finden. So richtig voll wurde es zu den jeweiligen Jubiläumsveranstaltungen. Zur 100. plattdeutschen Lesung organisierte das Ehepaar zusammen mit dem Seniorenbeirat, dem Georg Martinsteg seit 2003 angehört, eine Veranstaltung ganz im Zeichen des Plattdeutschen. 200 Besucher kamen, um Sketche, Musik und natürlich vorgetragene Texte zu genießen. Das, was sonst nur hochklassigen Künstlern gelingt, schafften die Martinstegs mit ihrem Jubiläumsabend spielend leicht: Der Saal war ausverkauft.

Für so viel Engagement und so unermüdlichen Einsatz fürs Plattdeutsche erhalten die Martinstegs den Ehrenpreis ihrer Heimatstadt. An diesem Sonntag, 11. Januar, bekommen sie die Auszeichnung während des Neujahrsempfangs im Rathaus verliehen. Die Nachricht, dass die Jury sich für die vom Seniorenbeirat vorgeschlagenen engagierten Plattdüütsch-Fans entschieden habe, überbrachte die Bürgermeisterin. Christiane Küchenhof rief kurz nach der einstimmigen Entscheidung des zuständigen Gremiums an.

„Wir haben uns riesig gefreut“, sagt der 84-Jährige. Dass er in diesem Jahr zu den Nominierten gehören könnte, hatte er vermutet. Denn oft saß er selbst in der Jury als Vertreter des Seniorenbeirates. Doch in diesem Jahr durfte er plötzlich nicht. „Da habe ich geahnt, dass da was im Busch ist“, sagt Georg Martinsteg.

Der Schenefelder, der 1930 in Hamburg geboren wurde, lernte die niederdeutsche Sprache von seinen Großeltern in Kellinghusen. Im Elternhaus seiner Frau Ursula, 84, bei Lüneburg war das Plattdeutsche allgegenwärtig. Doch leider gaben die Martinstegs ihren Plattdüütsch-Fimmel nicht an ihre Nachkommen weiter. Dabei haben sie davon einen Haufen. Vier Kinder, sechs Enkel und vier Urenkel zählt Georg Martinsteg auf – nur keiner von ihnen kann Niederdeutsch. „Das ist eine große Unterlassungssünde“, gibt Martinsteg zu. Seine Frau erklärt: „Es gab eben Zeiten, da war das Plattdeutsche regelrecht verpönt. Das hat sich aber zum Glück völlig geändert.“ Die Schenefelderin freut sich, dass ihre Enkelin in Hetlingen Platt in der Schule lernt, eine Stunde pro Woche – so würde sie es wenigstens verstehen, wenn die Großeltern Plattdeutsch sprechen.

Die schätzen an dem nordischen Slang besonders, dass die Sprecher auch einmal Dinge sagen dürften, die sie sonst so nicht ausdrücken könnten. „Zum Beispiel Fluchen“, sagt Georg Martinsteg. Das klinge auf Plattdeutsch gleich halb so schlimm. „Uns mookt Plattdüütsch eenfach Spoos“, sind sich die beiden einig, die sich bei einer Tanzstunde kennen und lieben lernten. In diesem Jahr feiern sie kurz nach der Preisverleihung gleich noch ein Großereignis: Ihre Diamantene Hochzeit steht am 29. Januar an. 40 Einladungen haben sie für das Fest am darauffolgenden Wochenende verschickt.

Ansonsten möchte das Ehepaar in diesem Jahr aber etwas kürzertreten. Für Georg Martinsteg geht im November seine dritte und letzte Amtszeit als Mitglied des Seniorenbeirates zu Ende. Damit hört auch der Besuchsdienst auf. Denn als einer von drei Beiratsvertretern gratuliert Martinsteg regelmäßig Schenefeldern und überbringt ihnen im Namen der Stadt jeweils zum 80. und 85. Geburtstag Glückwünsche.

Ursprünglich sollte mit dem Ende der „Dienstzeit“ auch Schluss mit den Lesungen „Wi snackt platt“ sein. Doch Schenefelds Bürgermeisterin überredete das Paar, bis zur 125. Auflage weiterzumachen. Die soll im Mai 2016 noch einmal mit einer größeren Veranstaltung im JUKS kräftig gefeiert werden – na kloor op platt.