Viele der Teilnehmer waren bei ihrer Ankunft in Deutschland auf Übersetzer angewiesen. Nun helfen sie selbst Flüchtlingen

Elmshorn. Sie sind aus dem ganzen Land nach Elmshorn gekommen. Dolmetscher, die sich in den Räumen des Einwandererbundes trafen, um sich auszutauschen oder Menschen mit der gleichen Muttersprache kennenzulernen. „Das Treffen ist eine Art Börse, wo sich die Dolmetscher treffen können“, sagt Reinhard Pohl, der Organisator des Treffens. Dolmetscher seien im Beruf meistens einsam, da sie ihn in der Regel alleine ausüben. Sie haben für ihre Arbeit nicht studiert, besitzen keine Diplome, haben aber Kurse absolviert, um auch Fachsprache wie in der Medizin übersetzen zu können. Ihre Mandanten sind meistens Flüchtlinge, die bei Behördengängen, beim Arzt oder im Dialog mit Schulen Hilfe brauchen. Oft kennen die Übersetzer die Situation ihrer Mandanten von früher: Einst sind sie selbst mit wenig oder gar keinen Kenntnissen der deutschen Sprache ins Land gekommen und waren selbst auf Übersetzer angewiesen.

Das Treffen ist eine Mischung aus Fortbildung und Netzwerkerei. „Für manche ist die Pause fast das wichtigste beim Treffen“, sagt Pohl. 30 Treffen gibt es in diesem Jahr. Vier davon sind finden in Elmshorn statt, der Rest verteilt sich auf Flensburg, Kiel, Neumünster, Lübeck und einige Treffen in Hamburg. Durch die Treffen ist Pohl zu einer unfreiwilligen Schnittstelle zwischen den Dolmetschern und den Behörden im Land Schleswig-Holstein geworden, da es kein zentrales Verzeichnis von Dolmetschern gibt. Pohl vermittelt aber nur, wenn die faire Bezahlung des Dolmetschers zugesagt wird. Diese arbeiten nämlich in der Regel freiberuflich.

Elena Kipnis hat an diesem Tag mit die kürzeste Anreise zum Dolmetschertreffen. Nicht aus ihrer Heimat Russland, die sie vor 22 Jahren verließ, sondern aus Klein Nordende, wo sie heutzutage lebt. Kipnis ist eine lebhafte Frau, die außer ihrer Dolmetscherarbeit noch eine kleine Malschule führt. Für sie hat alles an der Elmshorner Volkshochschule begonnen. Damals wollte sie Malkurse anbieten, allerdings bestand dafür kein Bedarf. Sie wurde stattdessen gefragt, ob sie Russisch-Kurse geben könne. Sie sagte zu und nur wenig später vermittelte die VHS ihr den ersten Dolmetscherauftrag am Elmshorner Amtsgericht. Darauf folgten Aufträge bei der Polizei und beim Landgericht in Itzehoe. Heute muss sie hauptsächlich zum Amtsgericht in Pinneberg. Drei bis vier Mal im Monat werde sie dorthin gerufen, sagt sie.

Vor Gericht muss sie simultan dolmetschen. Das verlange ihr höchste Konzentration ab. „Ich kriege dabei nicht mehr viel vom Inhalt mit“, sagt Kipnis, „da fokussiere ich mich darauf, dass die Worte übersetzt werden.“ Simultandolmetscher haben meist eine besondere Ausbildung abgeschlossen, Kipnis nicht. Sie ist Autodidaktin und hat sich eigenständig zur Simultandolmetscherin trainiert. „Ich war selbst überrascht, dass ich das kann“, sagt Kipnis. Sie müsse für diese Einsätze allerdings immer wieder üben, um in Form zu bleiben.

Kipnis weiß um die Schwierigkeiten beim Übersetzen vor Gericht. Wer dort übersetzt, muss Sensibilität beweisen. „Ich muss ein gewisses Feingefühl haben“, erklärt sie, „und den Leuten zeigen, dass ich nicht gegen sie bin.“ Außerdem dürfe sie absolut keine Gefühle zeigen und sich ihren Mandanten weder empathisch noch feindselig gegenüber verhalten.

Der Großteil der Teilnehmer des Treffens in Elmshorn ist weiblich, von zwölf Dolmetschern sind lediglich zwei männlich. Viele kennen sich schon länger, Neuankömmlinge werden herzlich aufgenommen. Die Teilnehmer kommen hauptsächlich aus arabischsprachigen Ländern wie Eritrea, Ägypten, Syrien, Irak oder Marokko. Einige kommen wie Elena Kipnis aus Russland, Mazedonien, Albanien oder Armenien. Die Dolmetscher sprechen meist mehr als zwei Sprachen, da es in ihrer Heimat mehrere vorherrschende Sprachen oder Dialekte gibt.