In Elmshorn schließt die Schankwirtschaft Zur Kruck. Der Kulttreff Kantine ist pleite

Elmshorn. Die verbliebenen Stammgäste sitzen am Tresen vor den letzten Bieren. Einige kamen jeden Tag ins „Zur Kruck“, manche seit zwanzig Jahren. Nun ist Schluss, das letzte Bier in Elmshorns ältester Kneipe ist gezapft. Wirt Erni Kühl geht in den Ruhestand. Ein Nachfolger hat sich nicht gefunden. „Unsere beiden Söhne haben eine sichere Anstellung“, sagt Ulla Kühl. Lukrativ sei das Geschäft am Sandberg schon lange nicht mehr. Vor zwanzig Jahren und drei Monaten hat sie mit ihrem Mann die Schankwirtschaft übernommen. „Seitdem sind 50 unserer Stammgäste verstorben und die jungen Leute gehen lieber in Diskos“, sagt die 60-Jährige. Der Dartautomat in der Ecke konnte daran auch nichts ändern.

Auch die Betreibergesellschaft der Gaststätte Kantine in der Elmshorner Lornsenstraße musste Insolvenz anmelden. Doch aufgeben will Geschäftsführerin Claudine Schulz-Czichon nicht und hofft auf einen neuen Betreiber. Der Insolvenzverwalter prüft derzeit die Möglichkeiten. Alle Veranstaltungen für 2015 sollen wie geplant durchgeführt werden, bestätigt eine Mitarbeiterin.

Dabei hatte Wirt Andreas Mehnert die Zeichen der Zeit erkannt und die einstige Szenegastronomie 2011 komplett umgebaut. Es half nichts. Die Gäste blieben aus. Zwei Jahre später zog er sich aus dem Geschäft, das seit 1979 in der ehemaligen Kantine der Wagner-Magarinenfabrik existiert, zurück. Und auch die neue Betreibergesellschaft hat es bislang nicht geschafft, sich wirtschaftlich sicher aufzustellen.

Keine Einzelfälle, bestätigt Stefan Scholtis, Hauptgeschäftsführer des Dehoga-Landesverbandes in Kiel. Eine Statistik führt der Hotel- und Gaststättenverband zwar nicht, doch „seit Jahren beobachten wir, wie die kleineren Betriebe um ihr Überleben kämpfen.“ Gründe seien vielfältig. Am Tresen trinken und tratschen – dieses Geschäftsmodell funktioniert vielerorts nicht mehr. „Das Ausgehverhalten der Menschen hat sich geändert“, sagt er. Früher ging man abends weg, traf sich zum Klönen in der Kneipe. Heute esse man auf dem Weg irgendwo was Kleines, wenn überhaupt. Denn umfangreiche Lieferservices brächten alles auch nach Hause und den Gaststätten blieben die Gäste weg, so Scholtis. „Der Mensch ist bequemer geworden“, sagt er. Das Lokal muss bequem erreichbar sein. Nur wenn die längere Fahrt zur Gaststätte verspricht, zum Erlebnis zu werden, werde sie auf sich genommen. „Und die Küche muss sich unheimlich schnell auf die neuen Wünsche der Gäste einstellen können.“

Zudem setzten viele Gemeinden auf Dorfgemeinschaftshäuser, ausgestattet mit eigenen Küchen, großen Sälen, neuester Technik und geringen Saalmieten – perfekt für Polterabende und Silberhochzeiten. Das Geschäft bricht den Gastronomen an vielen Ecken weg. „Das sogenannte Kneipensterben ist längst nicht mehr nur ein ländliches Problem. Selbst Betriebe, die einst finanziell stark waren, straucheln“, sagt Scholtis.

Das können auch die Kühls bestätigen. Dabei war schon der Start alles andere als einfach gewesen. „In unserem ersten Jahr wurde die Straße vor unserer Tür aufgerissen. Die Kanalarbeiten zogen sich ein Jahr lang hin“, sagt Ulla Kühl. Aber das überstanden sie. Den demografischen Wandel und die gehobenen Ansprüche der Gäste nicht.

„Die Zeiten, in denen wir jeden Tag ein 50-Liter-Fass Bier verkauften, sind längst vorbei“, sagt die Klein Offensetherin, die neben der Arbeit in der Gastwirtschaft als Vorarbeiterin in einer Reinigungsfirma tätig ist. Seit einem Jahr gebe es wochentags nicht einmal mehr einen Frühshoppen. Erni und Ulla Kühl fällt es nicht leicht, sich aus dem Geschäft zurückzuziehen. Sie kennen die Gäste und ihre Lebensgeschichten gut, waren sozialer Treffpunkt. „Ulla, unsere Mutter Teresa, hat sich alle Sorgen angehört“, sagt Freundin Giesela Schröder.

Nun sollen dort, wo die Elmshorner einst ihr Herz bei Bier und Korn ausschütteten, Wohnungen zur Vermietung entstehen. Jan Gauditz hat das Haus gekauft. „Es wird teilentkernt, umgebaut und dann vermietet“, sagt der 38-Jährige aus Raa Besenbek. Die Kneipe als solche weiterzuführen, kam für ihn nicht infrage. Auflagen zu Allergien, der Gema oder das Rauchverbot machten die Gastronomie einmal mehr mehr zum sinnlosen Unterfangen.