Schüler des Uetersener Ludwig-Meyn-Gymnasiums drehen Dokumentation über couragierten Lehrer Walter Vietzen

Uetersen/Kellinghusen. Über mehr als ein Jahr hinweg wurde Walter Vietzen immer wieder von Rechtsextremisten bedroht und terrorisiert. „Kill Vietzen Kill“ hatten Unbekannte an ein Bahnhofsgebäude im schleswig-holsteinischen Wrist gesprüht. Nachts warfen sie mit Gegenständen auf Vietzens Wohnhaus im vier Kilometer entfernten Kellinghusen, grölten „Sieg Heil!“, zerstörten den Gartenzaun. Auch über das Telefon wurde der Lehrer der Kellinghusener Grundschule bedroht.

Die beschriebenen Taten datieren nicht aus den 1930er-Jahren, sondern wurden zwischen 2008 und 2009 verübt. Kellinghusen war auch schon in den 1980er-Jahre Schauplatz rechtsextremer Umtriebe. 2009 gab es sogar einen Brandanschlag mit Molotow-Cocktails auf die Polizeiwache der kleinen Stadt im Kreis Steinburg. Lehrer Vietzen fürchtete damals, auch gegen sein Haus könnten Brandsätze geschleudert werden.

Die Ordnungshüter, allen voran Kellinghusens Polizeichef Henning Wendt, wählten eine ungewöhnliche Methode zur Bekämpfung dieser Straftaten – sie wurden verschwiegen. Weder die Presse noch die Öffentlichkeit wurden über die Vorgänge informiert, um die Situation nicht zu verschärfen. Doch im Hintergrund ermittelte die Polizei mit Hochdruck.

Die Ereignisse in Kellinghusen aus den Jahren 2008 und 2009 waren der Grund, warum sich eine Gruppe von inzwischen Elft- und Zwölftklässlern des Ludwig-Meyn-Gymnasiums (LMG) in Uetersen dem Fall des Lehrers Walter Vietzen angenommen hat. Über ein Jahr lang haben die Schüler mit Lehrer Sönke Zankel an ihrem Dokumentarfilm gearbeitet, sich mit der Technik des Filmens und Schneidens beschäftigt, umfangreich recherchiert und mehrere Interviews geführt.

Unter den Interviewten ist auch der betroffene Lehrer Walter Vietzen. Entstanden ist so nicht nur ein Film über den engagierten Lehrer. Der Film erzählt auch, wie klug sich die örtliche Polizei in diesem Fall verhalten hat – eine Geschichte, die sonst selten erzählt wird. Letztlich endeten die Übergriffe auf Vietzen hauptsächlich durch die Ermittlungen der Polizei.

Walter Vietzen engagierte sich lange gegen Rechts, leistete Präventionsarbeit. „Einen Feind der Nazis“, nennt er sich im Interview. Durch die vielen Aktionen gegen Rechts wurden die Radikalen auf ihn aufmerksam. Hunderte Aufkleber mit der Aufschrift „Kill Vietzen Kill“ wurden an die Fenster seiner Schule geklebt. Einen der Drohanrufe haben die LMG-Schüler für ihren Film benutzt. Der Anrufer verstellt seine Stimme, nicht jedes Wort ist zu verstehen. Die Aufnahme endet mit: „Ruf mich zurück, meine Nummer ist 14 88“. Die Zahlen sind ein Code in der rechtsextremen Szene, die 88 steht zum Beispiel für „Heil Hitler“.

Dass all diese Ereignisse nicht weit entfernt von Uetersen stattgefunden haben, beeindruckte die Schüler. „Das Filmprojekt hat mir vor Augen geführt, wie präsent der Rechtsextremismus auch in unserer näheren Umgebung ist“, sagt der Schüler Maximilian. Auch das Engagement von Walter Vietzen hinterließ bei den Uetersener Schülern einen bleibenden Eindruck. „Ich habe definitiv gelernt, dass es wichtig ist, sich nicht immer sofort kleinkriegen zu lassen. Im Gegenteil, man sollte aufstehen und sich wehren,“ sagt der 17-jährige Tobias.

Die Schüler arbeiteten auch jenseits der Unterrichts und schulischer Verpflichtung an dem Film. Es ist nicht das erste Mal, dass Sönke Zankel seine Schüler für außergewöhnliche Projekte begeistert. Unter seiner Leitung entstand das „Uetersen-Lexikon“, das im Jahr 2013 als bestes deutsches Schulprojekt ausgezeichnet wurde. Zudem arbeitete Zankel mit seinen Schülern die Zeit des Nationalsozialismus in Uetersen auf.

Der Film ist im Internet auf www.uetersentv.de/kategorie/doku/ kostenlos zu sehen.