Das Johannis-Hospiz in Elmshorn ist für Menschen am Ende ihres Lebensweges ein Hort der Geborgenheit. Vierter Teil der Adventsserie

Elmshorn. Ronald Pein hat es sich auf dem Sofa der Sitzgruppe in der Eingangshalle des Johannis-Hospiz’ bequem gemacht. Seine hellen blauen Augen blicken wach, es ist kaum vorstellbar, dass er unheilbar krank ist. Manchmal lächelt er und erzählt, dass er an der vorhandenen Einrichtung seines Zimmers nicht viel geändert hat. Seit drei Wochen wohnt er hier. „Das ist ja mein neues Zuhause“, sagte er. „Dann soll es auch so bleiben, wie es ist.“ Ein Bild seiner Freundin hat er mitgebracht, das hängt jetzt dort an der Wand, damit er sie immer sehen kann. Er weiß, dass er sie bald verlassen muss. Trotzdem wirkt der 62-Jährige gefasst, so als ob er im Reinen ist mit sich und seiner Situation. Dazu passt, dass er keine Wünsche mehr hat. Es gibt nichts, was er noch anstrebt, denn er habe „dem Leben bereits alles abgenommen, was es gab“.

Seine Lebensgefährtin kommt ihn schon morgens um 6 Uhr besuchen und bringt ihm die Zeitung. Eine tägliche Routine in seinem neuen Heim. Für das Hospiz hat er sich ganz bewusst entschieden, denn er möchte niemandem zur Last fallen. „Zu Hause wird einem eher Mitleid entgegengebracht. Aber Mitleid brauchen wir nicht, damit ist uns nicht geholfen.“

Im Hospiz findet er Geborgenheit, gleichzeitig wird den Familienmitgliedern etwas abgenommen. „Die Herzlichkeit, die man bekommt, ist nicht aufdringlich, sondern ehrlich gemeint.“

Es gibt eine offene Gemeinschaft und eine Betreuung in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt. Diese medizinische Versorgung hat dazu geführt, dass Ronald Pein endlich keine Schmerzen mehr hat. Als oberstes Pflegeziel benennt das Johannis Hospiz, das zu den Regio Kliniken gehört, auf seiner Internetseite die Symptombehandlung und Leidenslinderung, was zur Erhaltung und Verbesserung der Lebensqualität führt.

Pressesprecher Sebastian Kimstädt, 39, weiß, dass es sehr wichtig ist, den Kranken in der letzten Phase sagen zu können: „Es gibt Methoden, die Schmerzen zu lindern und Ihnen die Angst zu nehmen.“ Auf die Frage, wie er die Atmosphäre im Haus erlebt, antwortet Ronald Pein nicht sofort. Er lässt sich Zeit, scheint jeden Satz abzuwägen, ob er auch wirklich das ausdrückt, was er sagen möchte. „Es ist keine bedrückende Atmosphäre, eher besinnlich. Hier ist das Sterben Teil des Lebens – hier wird gelebt.“

Janet Dahlmann, 41, Leiterin des Hospizes, sieht mit dieser Aussage die Einrichtung in ihrem Selbstverständnis als Herberge, Raum für Menschen, die Hilfe brauchen, bestätigt. „Es ist ein Schutzraum, wir fangen die Menschen auf, auch ihre Angehörigen.“ Das Hospiz sei offen für alle ab 18 Jahren, unabhängig von sozialen Schichten und Glaubensbekenntnissen. „Wir nehmen jeden, wie er kommt.“

Für die Adventszeit wurde alles geschmückt, auch Alltägliches wie gemeinsames Plätzchenbacken hat seinen Raum. An den Wochenenden gibt es Andachten und Konzerte, zu Nikolaus und Weihnachten kleine Geschenke für die Bewohner. „Wir geben uns da Mühe“, sagt die Leiterin. Am Heiligabend sei es wie zu Hause, wenn jemand Geburtstag habe. Alle werden eingeladen, auch Freunde und Verwandte der Gäste. Es gibt einen Brunch und danach die Andacht, die „bis jetzt immer christlich war, aber das nicht sein muss“.

Einen Glauben hat auch Ronald Pein, trotzdem bezeichnet er sich als nicht religiös. „Ich würde es die Kraft der Natur nennen, an die ich glaube, die man nicht bezwingen kann – ich bin Teil dieser Natur.“ Weihnachten ist für ihn zwar in allererster Linie ein Fest für die Kinder, trotzdem nimmt er gerne daran teil. Wie wichtig ist es für die Gäste, Weihnachten noch zu erleben? „Viele versuchen das. In dieser letzten Lebensphase gibt es Daten, auf die die Menschen hinarbeiten“, sagt die Leiterin der Einrichtung.

Janet Dahlmann fing 2004 im Hospiz als Krankenschwester an und stellte rasch fest, „dass ich im täglichen Ablauf machen konnte, wozu in einer 50-Betten-Station keine Zeit war“. Dinge wie eine Nagelpflege, ein Vollbad oder eine Zeitung zu holen, weil das Horoskop für einen Gast wichtig ist. Für die Mitarbeiter wird die Belastung manchmal zu viel, wie im November vor einem Jahr, als es 22 Verstorbene gab.

Um die Mitarbeiter zu unterstützen, werden Supervision, Team- und Einzelcoachings angeboten. Die Mitarbeiter werden nicht allein gelassen und auch für viele Angehörige ist es wichtig, nicht mit Trauer und Schmerz allein zu bleiben. Dafür sorgt ein Nachsorge-Angebot. Nach dem Versterben des Gastes werden Angehörige eingeladen zu Andachten, Gesprächen und Gruppenaktivitäten.

Nach Meinung von Ronald Pein wissen die meisten Menschen zu wenig vom Hospiz. Er finde es schön in der Einrichtung und auch, dass es so etwas überhaupt gibt. Wie sehr, das verdeutlicht der Vergleich, den er für sich gefunden hat: „Das ist so, wie wenn Sie in Urlaub fahren. Da sind Sie Gast und kriegen 14 Tage alles, was Sie wollen. Sie vermissen nichts, das Leben geht weiter. Man muss sich nur wundern, wie viel Mitgefühl und Liebe einem hier entgegengebracht werden.“