Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein. Milde Strafen für Spielhallenräuber

Pinneberg/Itzehoe. Monatelang ermittelte die Staatsanwaltschaft. Jetzt hat sie das Verfahren gegen zwei Polizisten, die Anfang April mindestens sechs Schüsse auf zwei Spielhallenräuber abgaben, eingestellt. Beendet ist inzwischen auch das Gerichtsverfahren gegen die Täter: Die Hauptbeschuldigten Pawel K. und Kamil W. müssen für jeweils drei Jahre in Haft, ihr Fluchthelfer Dawid U. wurde zu einer Geldstrafe in Höhe von 3600 Euro verurteilt.

Zweieinhalb Monate lang bemühte sich die Erste Große Strafkammer des Landgerichts Itzehoe, die Geschehnisse vom frühen Morgen des 2. April dieses Jahres aufzuarbeiten. Gegen 5 Uhr, kurz vor Schließung der Spielhalle Novolino an der Straße Am Hafen, betraten Pawel K. und Kamil W. maskiert das Gebäude durch die Haupteingangstür.

Während K. die beiden anwesenden Gäste und die Mitarbeiterin Pia-Jelena W. mit einer täuschend echt aussehenden Gaspistole vom Typ Walther P22 bedrohte, fesselte sein Komplize die Opfer mit Kabelbinder und Panzertape. Den Opfern wurde auch der Mund verklebt. Mit dem Tresorschlüssel der Mitarbeiterin, die im Verfahren als Nebenklägerin auftrat, schlossen die Räuber den Tresor auf und entnahmen 1500Euro. Das Geld verstauten die Männer in einer mitgebrachten Sporttasche.

Als die Räuber noch Automaten aufbrechen wollten, um ihre Beute zu vergrößern, nahm das Unheil seinen Lauf. Nach der Alarmauslösung aus der Spielhalle trafen die ersten Polizisten am Tatort ein – und sie eröffneten von außen sofort das Feuer auf die Räuber. Mindestens sechs Schüsse fielen, die gläserne Eingangstür der Spielhalle wurde von Projektilen durchlöchert.

Pawel K. wurde im Bein getroffen, Mittäter Kamil W. gelang durch ein Fenster die Flucht. Für die Schützen, zwei 21 und 32 Jahre alte Beamte der Wache in Pinneberg, bleibt dies folgenlos. „Wir haben die Ermittlungen wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt eingestellt, weil kein rechtswidriges Verhalten feststellbar war. Wir gehen von einer Notwehrsituation aus“, sagt Uwe Dreeßen, Sprecher der Staatsanwaltschaft Itzehoe.

Für Christine Siegrot, die Verteidigerin des schwer verletzten Räubers Pawel K., ist dies nicht hinnehmbar. „Ich habe Rechtsmittel gegen diese Entscheidung eingelegt.“ Die Juristin hält den Schusswaffengebrauch seitens der Polizei für überzogen und eine Notwehrsituation für nicht gegeben. Das Leben der Angestellten und der Gäste in der Spielhalle sei durch die Räuber, deren Schreckschusswaffe keinen großen Schaden hätte anrichten können, nicht gefährdet gewesen. „In der Spielhalle sind keine Schüsse gefallen.“ Vielmehr hätten die Polizisten die Menschen in Gefahr gebracht. „Die zweite Salve der Polizisten ist in Kopfhöhe eingeschlagen“, sagt die Verteidigerin.

Zudem hätten die Beamten ohne Vorwarnung das Feuer eröffnet. In einem Rechtsstaat sei ein derartiges Verhalten nicht tolerabel. Die Anwältin will die Tat und ihre Folgen für die unbeteiligten Zeugen nicht kleinreden. „Aber wir haben im Prozess nicht feststellen können, ob das Trauma der Zeugen vom Überfall oder dem Verhalten der Polizisten herrührt.“

Spielhallen-Mitarbeiterin Pia-Jelena W. hatte im Prozess durch ihren Rechtsbeistand Henry Brendel erklären lassen, sie wünsche sich eine juristische Aufarbeitung auch des Verhaltens der Polizisten. Das will Siegrot nun mit ihrer Beschwerde erreichen. Ob die Ermittlungen gegen die beiden Beamten wieder aufgenommen werden, muss jetzt die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig-Holstein entscheiden.

Noch ist offen, ob die Staatsanwaltchaft Itzehoe Rechtsmittel gegen das Urteil des Landgerichts einlegt. Die Anklagebehörde hatte für beide Haupttäter jeweils fünfeinhalb Jahre Haft gefordert. Das Gericht hatte den Überfall jedoch als Verzweiflungstat und daher als minderschweren Fall bewertet. Die Richter glaubten dem nicht vorbestraften Pawel K., dass er die Tat nur begangen habe, um 40.000 Euro für die Chemotherapie seines nicht krankenversicherten Vaters zu erlangen und Mittäter Kamil W. zur Teilnahme angestiftet hat. Der Vater des Hauptangeklagten ist während des Prozesses verstorben.

Pawel K., dem die Polizeikugel das Kniegelenk gesprengt hat, wird sein Leben lang gehbehindert bleiben. Weil ihr Mandant bereits gestraft genug sei, hatte Verteidigerin Siegrot angeregt, von einer Bestrafung des 25-Jährigen abzusehen. Darauf wollte sich wiederum das Gericht nicht einlassen. Ob die Verteidigerin Revision einlegt, ist noch nicht entschieden.