Schöffengericht verurteilt Elmshorner Hans-Jürgen B. als Kopf eines Dopinghändlerrings zu drei Jahren und sieben Monaten Gefängnis

Elmshorn. Im Bankdrücken hat es Hans-Jürgen B. bis zum Senioren-Weltmeister gebracht. Doch jetzt muss der 64-Jährige etwas mit deutlich mehr Gewicht stemmen: eine Haftstrafe von drei Jahren und sieben Monaten. Zu dieser verurteilte das Schöffengericht Elmshorn den Bodybuilder am Donnerstag wegen des gewerbsmäßigen Inverkehrbringens von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport. Seine Lebensgefährtin Astrid B., 51, erhielt wegen Beihilfe eine Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren.

Das Gericht folgte in seiner Urteilsbegründung im wesentlichen der Argumentation der Staatsanwaltschaft, die es als erwiesen angesehen hatte, dass B. der Kopf eines kriminellen Netzwerkes war, das vom Kraftsportzentrum Athletenschmiede in Elmshorn aus einen schwunghaften Handel mit Dopingsubstanzen und verschreibungspflichtigen Arzneimitteln betrieb. B. sei organisiert wie ein Einzelhändler vorgegangen und habe seinen Lebensunterhalt eindeutig auf illegale Weise bestritten.

Der Betreiber der „Mucki-Bude“ galt in Elmshorn als schillernde Persönlichkeit. Das hatte sich am 1. November 2012 geändert. Bei einer Großrazzia verschafften sich 230 Beamte von Polizei und Zoll sowie sechs Staatsanwälte der Staatsanwaltschaft Itzehoe zeitgleich Zutritt zu 41 Objekten in sechs Bundesländern. In der Athletenschmiede an der Max-Planck-Straße wurden illegale Dopingmittel in erheblicher Menge sowie Arzneimittel, die Bodybuilder gegen die Nebenwirkungen nehmen, beschlagnahmt. Hans-Jürgen B. wanderte ins Gefängnis. Kurz vor Weihnachten 2012 erhielt der vom jahrelangen Dopingmissbrauch schwerkranke Mann Haftverschonung.

Mehr als 30 Mitbeschuldigte, darunter Helfershelfer des Angeklagten sowie Zwischenhändler, waren zwischenzeitlich abgeurteilt worden. Jetzt erwischte es auch den Hauptangeklagten, dessen Verteidiger keine Beweise für einen gewerbsmäßigen Handel mit den Präparaten erkannt haben wollte. B. habe nicht ein großes Netzwerk bedienen wollen, sondern die Chancen der Mitglieder des Kraftstudios bei Wettkämpfen verbessern wollen.

Zuvor hatte ein Sachverständiger erläutert, warum aus seiner Sicht die beschlagnahmten Dopingmittel wegen ihrer schieren Menge gerade nicht dem Eigenbedarf eines oder weniger Bodybuilder gedient haben können. Er betonte zudem, wie gefährlich die Einnahme der Präparate sei. Anabolika und andere Substanzen führen zu Aggressivität sowie Herz- und Leberschäden extremen Ausmaßes bis hin zum Organversagen. Auch Akne und Haarausfall sind Nebenwirkungen.

Im Anschluss lieferte sich der Experte einen verbalen Schlagabtausch mit dem Angeklagten, nachdem dieser das Verfahren als Lachnummer bezeichnet und die Kompetenz des Gutachters angezweifelt hatte. Dieser habe „keine Ahnung“, hatte B. geschlussfolgert. Der Sachverständige konterte mit der Feststellung: „Dass Sie da besser Bescheid wissen, ist klar.“ Auch Staatsanwältin Sandra Nehlep konnte sich nicht mehr zurückhalten. Die einzige Lachnummer sei der Angeklagte, sagte sie.

Dass der Handel mit Dopingmitteln alles andere als zum Lachen ist, zeigte sich während des Prozesses auch darin, dass offenkundig massiver Druck auf Zeugen ausgeübt wurde, die dann teilweise nicht erschienen oder zuvor gemachte Aussagen widerriefen.

Auch die Zeugin Ivonne G. hatte zunächst abgesagt, war dann aber am letzten Verhandlungstag überraschend doch noch erschienen. Die 33-Jährige erklärte, in dem Studio trainiert, vom Dopinghandel aber nie etwas mitbekommen zu haben. Aus einem Abhörprotokoll ging allerdings hervor, dass sie dem Angeklagten in einem Telefongespräch mitteilte, „ihre Tabletten gingen zu Ende“. Die Zeugin selbst konnte sich an ein entsprechendes Gespräch nicht erinnern.

Angeklagter brachte die Substanzen auch mithilfe von Kindern ins Land

Die Staatsanwaltschaft hatte monatelang die Telefone der Angeklagten abhören lassen, sodass eine Vielzahl von Geschäften und Reisen des Hauptangeklagten nach Polen, wo er den Großteil der Substanzen erwarb, aktenkundig sind. „Eine objektive Beweislage“, wie Staatsanwältin Nehlep in ihrem Plädoyer feststellte. Und doch konnten oder wollten sich fast alle Abnehmer im Prozessverlauf nicht mehr an die Geschäfte mit Hans-Jürgen B. erinnern.

Lieferant Grzegorz P., der sich wegen Beihilfe verantworten musste, hatte den Dopinghandel gestanden, sich aber ebenfalls aus Angst geweigert, über Hintermänner zu sprechen. Klar war durch sein Geständnis aber geworden, wie die verbotenen Substanzen von Polen aus nach Elmshorn und von dort ihren Weg in die deutsche Bodybuilderszene fanden.

Mittelsmann P. nahm die aufwendig codierten Bestellungen von Hans-Jürgen B. entgegen und überbrachte sie seinem Kontaktmann in Polen, der die verbotenen Aufputschmittel massenweise heranschaffte. Der Elmshorner Kraftsportler brachte sie dann in acht Fällen über die Grenze, manchmal auch mithilfe von Kindern. Grzegorz P. war bereits im November zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden.