300 Teilnehmer sitzen in Wedels Integrationskursen – darunter viele gesuchte Berufe. Initiative will Potenzial bergen

Wedel. Bodenleger? „Der ist fast unmöglich zu finden“, sagt Ernst-Heinrich Hennings von der Agentur für Arbeit in Wedel. Jeden Tag bekommt er Stellenangebote von Unternehmen rein. Im Unterschied zu früher ist es sehr viel schwerer geworden, passende Bewerber zu vermitteln. Hennings arbeitet seit neun Jahren in Wedel. Waren einst 700 bis 1000 Arbeitssuchende hier gemeldet, sind es laut Hennings heute noch 350. Viele Unternehmen setzen deshalb wieder verstärkt darauf, ihre Fachkräfte selber auszubilden. Die Zahl an angebotenen Ausbildungsplätzen steigt laut Hennings zunehmend, die der unbesetzten Plätze gleich mit. Denn es fehlt auch hier an Bewerbern.

„Dabei kommen die geburtenschwachen Jahrgänge erst noch“, sagt Wedels Wirtschaftsförderer Manuel Baehr. Er ist sich sicher, dass das Ausmaß an Fachkräften in einer Region ein wichtiger Standortvorteil wird. Um diesen Vorteil für Wedel zu nutzen, ist Baehr zusammen mit Hennings, der Leiterin der Volkshochschule (VHS) Cornelia Mayer-Schwab, dem Chef der Mittelstandsvereinigung im Kreis Pinneberg und Wedel Christian Fuchs sowie dem Businesscoach Helmut Hausner Teil einer örtlichen Initiative. Der Arbeitskreis „Bildung und Beruf“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Fachkräftemangel mit kreativen Lösungen zu begegnen. Eine haben sie bereits gefunden und auf den Weg gebracht. Sie könnte Schule machen.

Die Idee ist es, dass große Potenzial an zugewanderten Fachkräften zu nutzen – und zwar schnell, unkompliziert und erfolgreich. Der erste Schritt dazu ist ein Jobcafé. Unternehmer können dabei mit den Teilnehmern der VHS-Integrationskurse in Kontakt kommen und sich von den Sprach- und Berufskenntnissen überzeugen.

Die sind laut Mayer-Schwab viel besser als ihr Ruf. Viele der Teilnehmer seien enorm engagiert. So weiß sie von einem Flüchtling aus Afghanistan, der als Analphabet nach Deutschland kam.

Betriebe suchen jahrelang nach Schweißern oder Kfz-Mechanikern

„Er hat in kürzester Zeit die Prüfung für den zweiten Aufbaukursus geschafft. Er möchte unbedingt Busfahrer werden und ihm wird das auch gelingen“, sagt Mayer-Schwab. Laut der VHS-Leiterin zählt die Wedeler Bildungseinrichtung 300 Teilnehmer, die derzeit Integrationskurse besuchen. Eine Umfrage unter den Teilnehmern ergab, dass hier Handwerker, Ingenieure, Erzieher, Mechaniker, Maschinenbauer und Pflegepersonal die Lehrbank drücken. „Also genau das, was Unternehmer so dringend suchen“, sagt Helmut Hausner. Der Business-Coach muss es wissen.

Er hatte für den Arbeitskreis mit örtlichen Betrieben gesprochen. So fand er heraus, dass beispielsweise Tischler keine Nachwuchssorgen haben. Sie erhalten sogar Bewerbungen von Abiturienten, die eine Ausbildung vor dem Studium machen wollen oder ein kreatives Handwerk erlernen möchten. „Aber alles, wo man sich letztlich die Hände schmutzig machen muss, birgt riesige Probleme“, so Hausner. Firmen suchten jahrelang nach Kfz-Mechanikern, ein anderer Betrieb brauchte ein Jahr, um einen Schweißer zu finden. Betriebs-Chefs berichteten von viel zu wenig Bewerbern und dem wachsenden Wettbewerb, auch um vorhandenes Personal. „Die Toleranz wächst. Aus Angst Personal zu verlieren, machen die Unternehmer sehr viel mehr mit“, so Hausner.

„Fachkräftemangel ist das größte Risiko, das dem Mittelstand droht“, bringt es Christian Fuchs auf dem Punkt. Der Wedeler engagiert sich auch als stellvertretender Vorsitzender der christdemokratischen Vereinigung in Schleswig-Holstein. Aus seiner Sicht sind besonders Unternehmen in wirtschaftsstarken Gebieten wie der Metropolregion Hamburg schon heute von den Auswirkungen des demographischen Wandels und den fehlenden Fachkräften betroffenen. Vor allem der Mittelstand als Rückgrat der deutschen Wirtschaft schaffe es kaum noch, genügend qualifizierte Mitarbeiter zu finden. „Gerade die Arbeitskräfte aus Südeuropa konkurrieren in den meisten Fällen nicht mit Bewerbern auf dem deutschen Arbeitsmarkt, sondern lösen eklatante Engpässe“, so Fuchs. Dieses Potenzial hätten viele Unternehmen nicht realisiert. Wenige schauten über die Grenze.

Jobcafé für Zuwanderer und Unternehmer soll Hemmschwellen abbauen

Grenzen einreißen, Hemmschwellen überwinden und Vorurteile abbauen: all das möchte der Arbeitskreis mit seiner Initiative. Der erste Schritt dazu, Zuwanderer und Unternehmer zusammenzubringen, ist das Jobcafé, das für den 21. Januar von 15 Uhr an in der Volkshochschule an der Wedeler ABC-Straße geplant ist. Mit dabei sind dann auch Vertreter des Arbeitskreises. Der plant bereits die nächsten Schritte, will Betriebe beraten, Praktika für Zuwanderer und passgenaue Qualifizierungen durch VHS und die Arbeitsagentur schaffen sowie Teilzeitarbeit bei gleichzeitiger sprachlicher Fortbildung möglich machen. Fuchs ist sich sicher, dass der Wedeler Weg nachahmbar ist: „Dieses Modell hat Vorbildcharakter für die gesamte Metropolregion.“