Gericht schickt Boguslaw J. für 33 Monate hinter Gitter, obwohl der Staatsanwalt Bewährung forderte

Uetersen/Itzehoe. Als es um seinen Lebenslauf ging, spuckte Boguslaw J. noch große Töne. „Ich war sechsmal verheiratet, einmal sogar auf Kuba bei Fidel Castro“, ließ er die Richter wissen. Nach der Urteilsverkündung wirkte der Angeklagte, der nach eigenen Angaben über Häuser in Polen und den USA verfügt, dann ziemlich kleinlaut: Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe schickte den 52-Jährigen am Mittwoch für zwei Jahre und neun Monate hinter Gitter – und das, obwohl sogar Staatsanwalt Joachim Bestmann eine Bewährungsstrafe gefordert hatte.

Kein Wunder also, dass der Uetersener und sein Verteidiger Torben Schneider bedient waren. „Wir werden Revision gegen das Urteil einlegen. Ich bin schon der Meinung, dass eine Bewährungsstrafe vertretbar gewesen wäre“, sagt der Jurist. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Kammer den Anklagevorwurf versuchter Totschlag fallen gelassen und den Angeklagten lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt habe, sei die Höhe der Strafe nicht gerechtfertigt.

Das Verfahren drehte sich um eine Messerattacke im Uetersener Obdachlosenasyl am Tornescher Weg vom 8. Mai 2014. Gegen 3 Uhr morgens hat Boguslaw J. nach Überzeugung der Kammer seinem Mitbewohner Kuzey V. mit einem Küchenmesser eine Stich-/Schnittverletzung im Brustbereich zugefügt. „Der Tat ging eine Provokation des Angeklagten voraus“, so der Vorsitzende Richter Eberhard Hülsing. Dieser habe im Alkoholrausch seinen Fernseher derart laut aufgedreht, dass sich der Mitbewohner gestört fühlte. „Zwischen ihnen beiden gab es von Anfang an Probleme“, so der Richter weiter. Mehrere Auseinandersetzungen seien der Messerattacke vorausgegangen. So habe Boguslaw J. seinem Kontrahenten vor die Zimmertür gepinkelt und sei mit einem Phasenprüfer auf ihn losgegangen.

Der Angeklagte sei Alkohol gewöhnt, er trinkt nach Überzeugung der Kammer täglich große Mengen. Trotz der 3,33 Promille zum Tatzeitpunkt sei daher seine Steuerungsfähigkeit nicht eingeschränkt gewesen. Hülsing: „Es hing nur vom Zufall ab, dass der Stich nicht tiefer ging.“ Dennoch habe der 52-Jährige nicht mit Tötungsvorsatz gehandelt, es sei vielmehr eine Spontantat gewesen. Anschließend habe der Angeklagte dem blutenden Opfer jede Hilfe verweigert und sich mit den Worten „Verreck doch“ in seinem Zimmer eingeschlossen. „Sie haben eine dissoziale und erheblich rechtsfeindliche Gesinnung“, so Hülsing weiter. Daher sei eine Strafe im bewährungsfähigen Rahmen ausgeschlossen. „Und selbst wenn wir in diesem Rahmen geblieben wären, hätte es keine Bewährung geben können, weil wir bei ihnen keine günstige Sozialprognose stellen können.“

Staatsanwalt Bestmann hatte zwei Jahre Haft auf Bewährung und 200 Sozialstunden für Boguslaw J. gefordert, der Hartz IV bezieht. Verteidiger Schneider hatte ebenfalls eine Bewährungsstrafe angeregt, die Sozialstunden jedoch kritisch gesehen. „Wer sich abends den Kanal zuschüttet, kommt morgens nicht aus dem Bett.“