Adventsserie: Zu Besuch bei Menschen, die die Vorweihnachtszeit nicht zu Hause verbringen können

Vier Kerzen, vier Perspektiven. In unserer Abendblatt-Adventsserie besuchen wir in diesem Jahr Menschen, die die Vorweihnachtszeit im weitesten Sinne in einer „Herberge“, also einer Unterkunft außerhalb ihres Zuhauses, verbringen. Die Herberge als christliches Sinnbild begleitet uns wie unser Adventskranz an ganz unterschiedliche Orte. Zum Auftakt der Serie sind wir zu Gast in der Unteroffizierschule der Luftwaffe in Appen. Hier treffen wir Soldaten, die im besinnlichen Advent kaum Zeit für Muße haben und teilweise 24-Stunden-Dienste absolvieren.

Unteroffizierin Julia Pogritz, 26, zündet die erste Kerze an, der Kranz ist die einzige Dekoration im kargen Besprechungszimmer. Auch auf dem Gelände der Kaserne in Appen und im Schulgebäude ist nichts davon zu spüren, dass in vier Wochen bereits Weihnachten ist. „Da kommt so ein bisschen die nüchterne Behörde durch“, gibt Hauptfeldwebel Martin Stache zu, der Julia Pogritz und ihren Kameraden Jens Hofmann, 29, begleitet. „Aber die Lehrgangsteilnehmer haben ja auch den Kopf voll, denn das eigentliche Lernen findet nach Dienstschluss statt.“ Der Lehrgang, den beide zurzeit absolvieren, vermittelt komprimiert Wissen. Am Ende entscheidet eine Prüfung darüber, ob die beiden jungen Soldaten ihr Ziel erreichen, Feldwebel zu werden.

Kaum Zeit also für weihnachtliche Vorfreude? „Weihnachtsfeiern finden natürlich in den Bereichen statt“, sagt Stache. In der kommenden Woche sollen auch geschmückte Weihnachtsbäume in den einzelnen Gebäuden aufgestellt werden. Bis auf ein Adventskonzert mit dem Polizeiorchester Hamburg und Gästen aus Wirtschaft, Politik sowie Ehemaligen sind von der Schulführung sonst keine besonderen Aktivitäten geplant. Die Soldaten gestalten ihre gering bemessene Freizeit selbst, im Moment sind dabei natürlich Weihnachtsmärkte angesagt: „Wir waren am vergangenen Donnerstag zu siebt im Pinneberger Weihnachtsdorf“, sagt Jens Hofmann. Obwohl er als Vater von nicht einmal zwei Jahre alten Zwillingen seine Familie so sehr vermisst, dass er an Wochenenden mehr als 700 Kilometer Weg zum Heimatort in Kauf nimmt, konnte er den Ausflug zum Weihnachtsmarkt gerade mit seinen Kameraden genießen: „Die Kinder sind noch zu klein und mögen Weihnachtsmärkte überhaupt nicht.“

Die Hörsäle, wie die einzelnen Lehrgangsgruppen genannt werden, organisieren besondere Aktivitäten selbst. „Dafür gibt es extra einen ,Partybeauftragten‘“, erzählt Julia Pogritz. Dieser wird von den Soldatinnen und Soldaten aus der Gruppe heraus gewählt und ist verantwortlich für „Party im weitesten Sinne“, also alles, was gemeinschaftlich in Eigenregie organisiert wird. Beispielsweise die Hörsaalweihnachtsfeier am 12. Dezember, bei der ein gemeinsames Frühstück mit dem Stabsfeldwebel stattfindet.

Die junge Frau in Uniform ist erst seit dem 1. Juli überhaupt bei der Bundeswehr und hat bereits Lehrgänge an verschiedenen Standorten absolviert. In Appen stationiert ist sie seit Ende September. Sie hat sich bereits daran gewöhnt, längere Zeit von zu Hause weg zu sein. Weihnachten wird sie bei den Eltern verbringen, „ruhig, ohne Lehrunterlagen, zumindest für drei Tage“. Sie vermisst die typische Adventsdekoration in der Kaserne nicht. „Ich habe immerhin Bettwäsche mit Rentieren“, sagt sie schmunzelnd, „und meine Stubenkameradin hat als Nachtlicht einen leuchtenden Schneemann – mit Farbwechsel!“

Jens Hoffmann sieht seinen Aufenthalt in der Kaserne ähnlich pragmatisch: „Ich bin eh von morgens bis abends im Dienst und werde hier nicht groß dekorieren.“ Er freut sich besonders auf das große Familientreffen in den Weihnachtsferien mit bis zu 50 Verwandten. Zu Hause ist der Ort, an dem für ihn Feiern angesagt ist. Beide haben das Glück, mit ihren Familien feiern zu können. Andere bleiben an den Feiertagen auf dem Gelände. Hauptfeldwebel Martin Stache erklärt, dass die Liegenschaft der Bundeswehr in einem 24-Stunden-Wachdienst rund um die Uhr bewacht wird. Er selbst hat um 7 Uhr morgens begonnen und wird erst am nächsten Morgen um dieselbe Zeit Dienstschluss haben. Aber an Weihnachten ist auch er zu Hause bei Frau und Tochter, den Dienst übernehmen dann andere, die noch keine eigene Familie gegründet haben.

Sie bleiben jedoch nicht allein: Heiligabend bekommen sie Besuch vom Militärpfarrer, dabei wechseln sich jedes Jahr der evangelische und der katholische Geistliche ab. Dieses Weihnachten wird der evangelische Pfarrer Andreas-Christian Tübler kommen, um von 16 Uhr an einen Gottesdienst für diejenigen zu leiten, die vor Ort bleiben. Danach wird er auch die Wache besuchen, kleine Geschenke überreichen und noch ein bisschen gemütlich mit den Soldaten zusammensitzen. Und anschließend sein Handy eingeschaltet lassen, um notfalls auch zwischen Karpfen und Gänsebraten das ein oder andere Seelsorgegespräch mit einem heimwehkranken Soldaten zu führen, denn auch das gehört zu Weihnachten für ihn als Militärseelsorger dazu.