Sechs Monate nach Feuer mit drei Toten in Schenefelder Seniorenheim ist Sanierung abgeschlossen. Leiter zieht Konsequenzen aus Tragödie

Schenefeld. Es war eines der größten Unglücke in der Stadt der vergangenen Jahre und hat seine Spuren hinterlassen. Vor sechs Monaten wütete ein Feuer in der Schenefelder Seniorenresidenz Rüpcke. Dabei starben drei Menschen, ein großer Teil der Wohnanlage wurde zerstört. Nach wochenlangen Arbeiten konnte die Sanierung nun abgeschlossen werden. Damit sind die Brandspuren verschwunden. Bei den Mitarbeitern und den Bewohnern hat sich das Unglück aber eingebrannt.

Das Datum wird Ursula Rose nie vergessen. „Am 30. Mai ist der Weltuntergang“, zitiert sie ein Lied aus den 50er-Jahren. Der Brand in ihrem Zuhause, der Seniorenresidenz Rüpcke, erschütterte ihre Welt. Als ihr Mann vor Jahren verstarb, sie allein im Haus in Niendorf zurückblieb und ihre Sehkraft aufgrund einer schweren Erkrankung immer mehr abnahm, entschied sich die 87-Jährige, in das Schenefelder Seniorenheim umzuziehen. Hier fühlt sie sich wohl. „Es kommt einem manchmal vor, als würde man in einem Hotel leben“, sagt sie über den Komfort. Ursula Rose hat keine Kinder, aber sie hat einige Freunde, mit denen sie sich häufig trifft. Sie ist gern und viel unterwegs. Doch ausgerechnet am 30. Mai dieses Jahres, dem Tag des Unglücks, war sie zu Hause.

Ihre Zwei-Zimmer-Wohnung liegt schräg gegenüber der Wohnung, in der das Feuer ausbrach. Ursula Rose war an diesem Freitagnachmittag verabredet. Doch als es an die Tür klopfte, stand dort nicht ihre Freundin, sondern die Seniorin sah sich einer Wand aus Rauch gegenüber. „Ich habe mich so erschrocken“, erinnert sie sich. Die Rentnerin flüchtete sich auf den Balkon. Von dort aus sah sie das Großaufgebot an Rettungskräften, die gegen Flammen kämpften und versuchten, die 98 Bewohner in Sicherheit zu bringen. „Ich habe gedacht, es ist wieder Krieg“, sagt die 87-Jährige, die mithilfe einer Atemmaske und gestützt durch zwei Rettungskräfte sicher ins Freie gelangte. Für drei Bewohnerinnen im Alter von 72 bis 89 Jahren kam aber jede Hilfe zu spät. Sie starben bei dem verheerenden Feuer – unter anderem auch die bettlägerige Frau, in deren Wohnung der Brand ausbrach.

Die Brandermittlungen ergaben später, dass ein technischer Defekt in einem Fernseher die Ursache für das Unglück war. Kurz nach dem Brand stapelten sich die TV-Geräte vor dem Seniorenheim. Geschäftsführer Hans-Jürgen Rüpcke ließ alle alten Röhrenfernseher verschrotten. „Das war mir eine Herzensangelegenheit“, sagt er. Der Schenefelder erinnert sich an den Moment, als gegen 2.30 Uhr alle Helfer weg waren, an die plötzliche Ruhe und Einsamkeit. „Man weiß, dass man nichts dagegen hätte tun können, aber macht sich Vorwürfe.“ Rüpcke zog Konsequenzen.

Jede Etage verfügt jetzt über eine eigene Brandmeldeanlage

Auf jeder Etage gibt es jetzt eine Brandmeldeanlage, die den Mitarbeitern bei einem Alarm den betroffenen Wohnteil zeigt. Bislang mussten sie dafür in den Keller laufen. Das habe den Vorschriften entsprochen, betont Rüpcke. Aber es koste Zeit. Eines hat er durch das Feuer gelernt: Wie wichtig ein paar Minuten sein können und wie schnell Flammen um sich greifen. „Was in zehn Minuten passieren kann, hätten wir uns nicht vorstellen können“, sagt er. Tatsächlich schlugen die Flammen bereits acht Minuten nach Auslösung der Brandmeldeanlage, die mit der Feuerwehrzentrale direkt gekoppelt ist, aus der Wohnung. Es hatten sich enorm schnell extreme Temperaturen entwickelt, unter anderem deswegen, weil dem Feuer ein Nährboden bereitet wurde. Denn in der betroffenen Wohnung befand sich mit einer umfangreiche Kuscheltiersammlung viel brennbares Material.

„Das kann ich niemandem verbieten“, erklärt der Geschäftsführer. Und ergänzt: „Das will ich auch nicht.“ Es handele sich hier um Wohnraumanmietung. Wer in die Seniorenresidenz ziehe, wolle so viel Lebensqualität wie möglich haben. „Ich möchte den Bewohnern nicht vorschreiben müssen, wie sie leben. Sie sollen sich zu Hause fühlen.“ Aus seiner Sicht gebe es einfach viele Anforderungen an eine solche Einrichtung, die sich teilweise auch im Wege stehen würden. Entscheidend sei es, einen guten Kompromiss zu finden. Um die Brandlast, wie das brennbare Material im Fachjargon heißt, trotzdem möglichst im Griff zu behalten und eine Lehre aus den schlechten Erfahrungen ziehen zu können, hat Rüpcke mit der örtlichen Feuerwehr gesprochen. Diese ist bereit, zur Aufklärung über die Gefahren einen Abgesandten zu schicken.

Eine weitere Maßnahme, die Rüpcke ergriffen hat: In Absprache mit der Feuerwehr wurde ein weiteres Tor samt Zufahrt für die Einsatzkräfte erstellt. Die Erfahrung aus dem Großeinsatz habe gezeigt, dass sich die Einsatzkräfte, die auch von Nachbarwehren zu Hilfe eilten und die Örtlichkeit nicht kannten, teilweise mit ihren Gerätschaften im Wege standen. Die Forderung der Deutschen Stiftung Patientenschutz anlässlich des Unglücks, in Pflegeheimen automatische Feuerlöschanlagen gesetzlich vorzuschreiben, sieht der Geschäftsführer dagegen skeptisch. Was in Gewerbehallen Standard sei, wäre nicht auf Altenheime übertragbar. „Das hätte in diesem Fall kein Leben gerettet, aber die Ausdehnung des Feuers begrenzt“, sagt Rüpcke. Allerdings: Der durch solche automatischen Sprinkleranlagen entstehende Wasserschaden sei viel größer als in einer Lagerhalle.

Welchen Schaden Wasser anrichten kann, weiß der Geschäftsführer aufgrund des Feuers nur zu genau. Das Löschwasser zerstörte alle Räume, die unter der betroffenen Wohnung im zweiten Stock der Einrichtung liegen, und sammelte sich im Keller, der ebenfalls von Grund auf saniert werden musste. Schadenssumme: rund eine Million Euro. 15 Wohnungen waren zerstört. Die Bewohner wurden umquartiert. So wie Ursula Rose. Sie zog am 1.Oktober zurück in ihre Wohnung.