Boguslaw J. sticht im Rausch auf seinen Mitbewohner ein und muss sich nun wegen versuchten Totschlags vor Gericht verantworten

Uetersen/Itzehoe. Boguslaw J. ist ein Mann vieler Worte und erzählt gerne Geschichten. „Haben sie schon in der Enzyklopädie unter Alkohol nachgeschaut?“ fragt der 52-Jährige das Gericht. Und ergänzt: „Da steht, dass bei drei Promille alle tot sind – alle bis auf Russen und Polen.“

Der Uetersener ist gebürtiger Pole und hatte drei Promille Alkohol im Blut, als er gegen 3 Uhr morgens am 8. Mai dieses Jahres in der Obdachlosenunterkunft am Tornescher Weg auf seinen Mitbewohner Kuzey V. eingestochen haben soll. Versuchter Totschlag wirft Staatsanwalt Joachim Bestmann dem Angeklagten vor, dem eine mehrjährige Haftstrafe droht.

Dennoch blieb der 52-Jährige zum Prozessauftakt vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Itzehoe am Mittwoch gelassen und machte sogar Witze. Zur Wirkung der Schlaftablette, die er acht Stunden vor der Bluttat eingenommen haben will, kalauerte er: „30 bis 45 Minuten nach der Einnahme sind sie mausetot. Da kann ein Elefant aus dem Zoo raustrampeln, davon kriegen sie nichts mit.“

Auch von der ihm vorgeworfenen Gewalttat will Boguslaw J. nichts mitbekommen haben. „Ich bin um 19 Uhr vor dem Fernseher eingeschlafen, war dann um 22 Uhr kurz wach und habe ihn ausgemacht.“ Als Nächstes erinnert der 52-Jährige angeblich nur, dass die Polizei seine Tür eingetreten hat „und die plötzlich vor meinem Bett standen“.

Sein Schlafbedürfnis erklärt der 52-Jährige, der lange Jahre als Autoelektriker gearbeitet hat, mit seinem exzessiven Alkoholkonsum am Tag vor der Tat. „Ich habe mir richtig die Kante gegeben.“ Zweieinhalb Flaschen Wodka will der Angeklagte über den Tag getrunken habe plus zwei Gläser Wein am Abend. Zu sich genommen habe er nicht viel. „Ich bin ein Quartalssäufer“, sagt der Uetersener.

Teresa H., 64, die in einem Nachbarblock der Unterkunft wohnt, sagt etwas ganz anderes. „Jeden Tag ist der besoffen, es gibt ständig Probleme mit ihm.“ In der Tatnacht habe das Opfer Kuzey V. bei ihr geklopft. „Der hatte ein Handtuch vor der Brust, das war voller Blut.“ Sie habe ihm ihr Handy gegeben, um Polizei und Krankenwagen zu rufen.

Das bestätigt auch Kuzey V., der zurzeit wegen einer anderen Sache in der JVA Kiel einsitzt. „Ich hatte keinen Handyempfang und bin in Panik zur Nachbarin gelaufen.“ Der 42-Jährige gibt an, in der Nacht aufgrund des Lärms aus dem Zimmer von Boguslaw J. aufgewacht zu sein. „Ich wollte meine Ruhe haben und habe mit ihm diskutiert. Dann habe ich gesagt ‚Jetzt reicht’s, du Arschloch, mach das aus‘“. Plötzlich habe der Angeklagte ihm mit einem Messer knapp unterhalb der rechten Brustwarze einen Stich versetzt. „Er sagte ‚Verrecke, du Schwein‘, dann ist er in sein Zimmer gegangen.“

Kuzey V. lag nach der Attacke drei Tage im Krankenhaus. Er berichtet, vom Angeklagten von Beginn des Zusammenwohnens an „terrorisiert und schikaniert“ worden zu sein. „Dabei bin ich ihm immer mit Respekt begegnet“, beteuert der 42-Jährige. „Beklaut hast du mich“, ruft der Angeklagte dazwischen, dann sorgt Richter Eberhard Hülsing für Frieden. Ein friedliches Zusammenleben hat es in der Obdachlosenunterkunft nicht gegeben. „Der hat mich schon drei Wochen vor der Tat mit einem Phasenprüfer abzustechen versucht“, sagt Kuzey V. und berichtet, dass er den Angeklagten dabei erwischt habe, „wie er vor meine Tür gepinkelt hat“.

Ein Vorfall vom 17. April 2014, der Polizist Pascal R. vom Uetersener Revier auf den Plan rief. Als er vor Ort auf den Angeklagten traf, war „sein Hosenschlitz offen und er sehr stark alkoholisiert“. Den Phasenprüfer habe er in zwei Teile zerbrochen vor Ort entdeckt, so der Zeuge weiter. Und auch die Urinlache war nicht zu übersehen. „Meinem Kollegen sind die Diensthandschuhe reingefallen, der war verärgert.“

3,33 Promille Alkohol im Blut weist Boguslaw J. beim Vorfall mit dem Phasenprüfer auf, auf den gleichen Wert kommt Gutachterin Dr. Johanna Preuß-Wössner bei der Messerattacke. Weil mehrere Zeugen bekunden, beim Angeklagten keinen Unterschied zwischen nüchtern und volltrunken bemerkt zu haben, hält die Expertin die Schuld- und Steuerungsfähigkeit des 52-Jährigen nicht für eingeschränkt. Das Urteilt fällt am 3. Dezember.