Im Beiersdorf-Hautinstitut, in der Scheibe eines Hyundai oder im Hotel in Istanbul: Die Touch-Technik der Wedeler Firma eyefactive ist weltweit gefragt

Matthias Woggon streicht über den Tisch. Das macht er nicht, weil er ihn entstauben will. Sondern der Mitbegründer und Geschäftsführer von eyefactive zeigt, wie die Technologie aus seinem Unternehmen funktioniert.

Denn der Tisch ist viel mehr als nur ein Möbelstück. Bei jeder Berührung tauchen neue Funktionen auf dem Schirm des interaktiven Multitouch-Tisches auf. Fenster und Bilder wirbeln über die Anzeige, die mithilfe eines Beamers von unten auf die gläserne Platte geworfen werden. Kleine Kameras erkennen die Finger und die von den beiden Firmengründern entwickelte Software setzt die Berührungen dann praktisch um. Was Woggon so spielend leicht vorführt und Menschen weltweit fasziniert, ist ein Produkt harter und langer Entwicklungsarbeit.

Seinen Anfang nahm die Firma eyefactive 2007. Woggon und sein Studienkollege Johannes Ryks, die sich heute die Geschäftsführung teilen, entwickelten an der Fachhochschule Wedel als Studienprojekt den Prototypen des ersten Multitouch-Tisches. „Der Prototyp ist etwa zwei Meter lang und aus Holz“, beschreibt Woggon den Tisch. „Er steht in der Fachhochschule, die die Entwicklung finanziert hat.“

In den Büroräumen von eyefactive an der Wedeler Feldstraße mit Blick auf die Fachhochschule steht eine kleine Nachbildung des Prototyps, die an die Wurzeln erinnert. Hier im zweiten Stock stehen vor allem seine Nachfolger, die es zur Markttauglichkeit gebracht haben und die Interessenten regelmäßig vorgeführt werden. Im Unterschied zu ihrem hölzernen Vorgänger sehen sie durch die weiße geschwungene Form nicht nur moderner aus, sie kommen auch mehr herum. Denn das Unternehmen ist auf zahlreichen Messen vertreten.

Dort finden die Firmenchefs auch die meisten Kunden. „80 bis 90 Prozent unserer Kunden kommen über Messen und Events zu uns“, sagt der Geschäftsführer. Darunter sind Unternehmen wie Porsche, Beiersdorf oder die Hamburger Sparkasse. Denn was mit einer verrückten Idee begann, hat sich zu einer Firma mit elf Mitarbeitern und einem Umsatz von aktuell rund 500.000Euro im Jahr entwickelt. Tendenz steigend. Mit einem Umsatzplus von bis zu 30 Prozent rechnen die Geschäftsführer für das kommende Jahr. Unter anderem hat das mit einem lukrativen Auftrag zu tun. Ein Unternehmen möchte gleich mehrere Filialen mit den Touch-Tischen ausstatten. „Das wäre das erste Mal“, sagt Woggon.

Bislang handelt es sich bei den Aufträgen fast immer um individuelle Einzelanfertigungen. Denn die Technologie aus Wedel ermöglicht den Bau von riesigen interaktive Multitouch-Wänden, -Tischen und -Bars, die besonders Großunternehmen für Marketingprojekte nutzen. „Wir haben gerade in einem neu eröffneten Hotel in Istanbul zwei Tische installiert. Hier war die Herausforderung, dass sie auch als Bartisch dienen und deshalb rund sein sollten“, erklärt Woggon. Preisgekrönt ist die Heckscheibenentwicklung der Wedeler. Für eine Marketing-Kampagne suchte eine Werbeagentur eine Firma, die aus der Scheibe eines elektronisch angetriebenen Hyundai einen Touchscreen machen konnte. Für „get in touch“ gab es einen EVA-Award.

Eines der spannendsten Projekte war für den 31 Jahre alten Hamburger aber eine Schweizer Werbekampagne. Der Industrieverband warb um jungen Nachwuchs, wollte für Technik und Wissenschaft begeistern. Dabei setzte er eine fünf Quadratmeter große Multitouch-Wand von eyefactive ein. Auch in der Hamburger Sparkasse am Jungfernstieg und im Haut-Institut von Beiersdorf am Hamburger Stephansplatz stehen speziell angefertigte Touch-Möbel aus Wedel. Die Tisch verkauft das Unternehmen für einen Stückpreis ab 15.000 Euro aufwärts.

Doch das zweite und immer wichtiger werdende Standbein von eyefactive ist die im Haus entwickelte Software, die ursprünglich für die Tische gedacht war und die als Internetanwendungen nun einzeln seine Abnehmer findet. Vor einem Jahr öffnete das Unternehmen den eigenen App-Store multitouch-appstore.com, über den die Anwendungen vermarktet werden. 350 Nutzer, davon 70 Prozent Businesskunden aus mehr als 30 Ländern, haben sich laut Woggon bislang registriert. In diesem Bereich sieht er das größte Wachstumspotenzial. Der Geschäftsführer, der in Kaltenkirchen aufgewachsen ist, hofft, dass sich der Umsatz in 2015 allein in diesem Bereich verdoppelt „wenn nicht sogar vervierfacht.“

Überhaupt geht es langsam richtig ans Geldverdienen. Denn in den vergangenen Jahren haben die Unternehmer das meiste gleich wieder in die Entwicklung ihrer Technologie gesteckt. Auf Investoren verzichteten sie. Das war dank Landesdarlehen und Fördergeldern zum Beispiel durch den Hightech-Gründer-Fonds möglich. „Wir haben uns hochgearbeitet. Es war ein anstrengender Weg“, sagt Woggon. „Aber wir haben es aus eigener Kraft geschafft.“