Protestaktion gegen die Erhöhung der Kita-Gebühren. Familien kritisieren lautstark finanzielle Zusatzbelastung

Wedel. Der Frust sitzt tief. So tief, dass manche Eltern bereits symbolisch ihre Koffer gepackt haben. Die brachten sie am Donnerstag gleich mit zur Protestaktion ins Wedeler Rathaus. Allerdings mussten die Koffer, Kartons und Plakate auf Anweisung der Verwaltung draußen bleiben. Die etwa 50 Eltern ließen sich dagegen nicht aufhalten. Sie stürmten mit ihren Kindern die Ratssitzung, machten lautstark ihrem Unmut Luft. Es ist ihre Form des Protests gegen die in Wedel aus ihrer Sicht kontinuierlich steigenden Kita-Gebühren. Mit dieser und anderen Aktionen wollen sie verhindern, dass aufgrund der finanziellen Lage der Stadt erneut an dieser Preisschraube gedreht wird.

Eine von denen, die sich diese Kostensteigerung kaum noch leisten können, ist Maren Burrows. Die Mutter von zwei Kindern erzählt: „Seit August kostet die Kinderbetreuung 730 Euro pro Monat. Das sind 23 Prozent des Einkommens. 25 Prozent gehen für die Miete drauf. Dann haben wir noch nichts gegessen.“ Lili Nahapetian wird noch deutlicher. Auch sie steht mit ihren Kindern in vorderster Reihe. Die Wedelerin hat drei Kinder und zahlt 800 Euro für die Betreuung. Dazu kommen die Kosten fürs Essen.

„Wir haben die Kindern vom Turnen wieder abgemeldet, weil wir es uns nicht mehr leisten können“, sagt Nahapetian. Auch auf Urlaub verzichtet die Familie. Da die Betreuung so viel kostet, lohnt sich für manche das Arbeiten nicht mehr. „Ich kenne einige Frauen, die deshalb ihren Job aufgeben haben. Das ist eine frauenfeindliche Politik“, meint die Wedelerin.

Was in Wedel das Fass zum Überlaufen brachte, sind die erneuten Sparpläne zu Lasten der Eltern. Derzeit gibt es gleich drei Vorschläge, über die die Kommunalpolitiker in den kommenden Wochen im Zusammenhang mit der Haushaltskonsolidierung debattieren werden. Erstens soll die Ganztagsbetreuung von bislang neun auf acht Stunden begrenzt werden. Wer auf die längere Betreuungszeit angewiesen ist, zahlt diese dann extra. Die Stadtverwaltung schätzt, dass sich so 40.000 Euro pro Jahr sparen lassen.

Eltern aus Schleswig-Holstein gehen an diesem Sonnabend auf die Straße

Zweitens könnte die sozialpädagogische Arbeit, die sich Wedel bislang zusätzlich an den Kitas leistet, wegfallen. Zur Debatte steht der Vorschlag, den Zuschuss von pro Jahr 100.000 Euro zu streichen. Drittens gibt es den Plan, die Sozialstaffel dem kreisweiten Niveau anzupassen. Bislang unterstützt Wedel Eltern mit einem geringeren Einkommen über das vorgegebene Mindestmaß hinaus durch höhere Ermäßigungen. Das soll sich ändern. Auch in Wedel müssten Eltern dann bis zu 80 Prozent ihres Einkommensüberhanges als Elternbeitrag zahlen. Bisher waren es 55Prozent. Die Ersparnis für die Stadt beträgt 60.000 Euro.

Insgesamt machen die Kürzungspläne von 2016 an 200.000 Euro aus. Geld, das Wedel aufgrund der weggebrochenen Gewerbesteuereinnahmen in Höhe von 28 Millionen Euro brauchen könnte, um den Haushalt aus den roten Zahlen zu bekommen. Geld, das aber auch die Eltern brauchen, wie Nadine Mai betont. Der Wedelerin, die sich im Kreis- und Landeselternbeirat engagiert, reicht es. Auch sie stand am Donnerstag im Wedeler Ratssaal. Sie steht aber auch bei der geplanten Großdemo von Eltern aus Schleswig-Holstein an diesem Sonnabend in Bargteheide auf der Straße.

Denn aus ihrer Sicht ist nicht nur die Stadt Wedel in der Pflicht, sondern auch der Kreis Pinneberg und die Landesregierung. „Das ist ein gesamtgesellschaftlicher Wahnsinn. Es werden Milliarden für die Gleichstellung ausgegeben und gleichzeitig fehlt das Geld für Kinderbetreuung“, sagt die Mutter zweier Kinder. Familien würden sich Gedanken machen, ob sie sich ein weiteres Kind überhaupt leisten könnten, Mütter entschieden sich, zu Hause zu bleiben, weil es sich finanziell nicht rechnen würde, arbeiten zu gehen. Und ausgerechnet Alleinerziehende und Geringverdiener wären von den Kürzungen besonders betroffen. „Wir müssen zeigen, dass es so nicht weitergeht“, sagt Nadine Mai.

Kürzungspläne sind Thema am 3. Dezember im Bildungsausschuss

Sie rechnet vor, dass sie bereits durch die vorangegangenen Kürzungen in Wedel mehr zahlen musste. Durch den gestrichenen Zuschlag fürs Essengeld in diesem Jahr zahlt sie für ihre beiden Kinder 31 Euro mehr pro Monat. Hinzukommt die allgemeine Erhöhung des Eltern-Beitrages für die Kita durch den Kreis, das macht 40 Euro aus. Der Beitrag ist laut Mai in den vergangenen vier Jahren um zehn Prozent gestiegen. Von den Mieten wolle sie gar nicht erst anfangen oder den anderen zahlreichen Kostensteigerungen, die in der Stadt aufgrund der Sparmaßnahmen auf Familien zugekommen sind, so wie höhere Gebühren bei der Stadtbücherei, der VHS und der Musikschule.

Der wütenden Elternmenge stellten sich am Donnerstag übrigens nur zwei: Renate Koschorrek von der FDP bat die Eltern für den 3. Dezember zum Gespräch in den Bildungsausschuss und Wedels Bürgermeister ergriff kurz das Wort. „Keiner hat es sich leicht gemacht mit den Sparmaßnahmen, die auf dem Tisch liegen“, sagte Niels Schmidt. „Aber wir haben ein Finanzproblem durch Steuerausfälle, die so nicht vorhersehbar waren.“ Die Eltern dagegen kündigten an: „Das ist erst der Anfang. Da kommt noch viel mehr.“