Der Internethandel boomt. Bald wird jeder vierte Euro online ausgegeben. So wappnen sich Kaufleute im Kreis

Kreis Pinneberg . Marc Ramelow war verblüfft. Der Chef des alteingesessenen Elmshorner Modehauses, das auch über eine Filiale in Schenefeld verfügt, wollte mit seinen Verkäufern darüber reden, wie sie über Kanäle wie Twitter und Facebook an die Kunden herankommen. Doch da hatte ein Kollege längst seine 50 wichtigsten Kunden in einer WhatsApp-Gruppe organisiert. „Wir brauchen mehr Mut“, fordert der Familienunternehmer Ramelow.

Von eBay bis Zalando stellt das Internet das Einkaufen schon seit Jahren auf den Kopf. Doch im Laden um die Ecke spüren Kunden davon noch immer wenig. Ramelow will den Kampf aufnehmen. Er probiert viel aus: So präsentiert die Auszubildende den „Look of the Week“ auf Facebook (25 „Gefällt mir“-Klicks für einen Parka) und nach einem Model-Wettbewerb im Laden posten Kandidatinnen ihre Selfies auf der Ramelow-Seite. „Da ist sehr viel von Start-up-Kultur“, meint der Mittelständler – nach 140 Jahren Unternehmensgeschichte. „Wir müssen da sein, wo die Kunden sind. Sie sind schneller in die digitalen Medien gegangen, als wir vor zwei, drei Jahren dachten.“

Das zahlt sich aus. 4000 Mal wurde die App des Modeunternehmens bereits heruntergeladen. 12.000 Menschen besuchen im Monat die Homepage. 70.000 Kunden sind im E-Mail-Verteiler und im vergangenen Jahr schossen die Ramelow-Kunden 80.000 Bilder von sich vor der Umkleidekabine – ein Projekt, das Ramelow mit dem Datenschützer Schleswig-Holsteins absprach „Das Internet ist unsere große Chance, mit dem Kunden in Kontakt zu kommen. Es ist überlebenswichtig.“

Heute geben die Bundesbürger jeden elften Euro online aus, 2020 werde es schon jeder vierte sein, meint Werner Reinartz, Handelsforscher an der Uni Köln. „Der Umbruch ist dramatischer als der Wandel von Tante Emma zum Supermarkt und der des Aufkommens der Discounter“, sagt der Präsident des Handelsverbands Deutschland, Josef Sanktjohanser. Immerhin jeder Dritte verkaufe inzwischen auch im Internet. Das Web sei eine der letzten Wachstumschancen im gesättigten Markt. „Der Handel bleibt, aber anders.“ Allerdings verschlinge die Digitalisierung enorme Investitionskosten, so Sanktjohanser. Um sie zu stemmen, müssten sich Kleine zusammenzuschließen, Einkauf und Vermarktung gemeinsam organisieren. Nichts zu tun, sei keine Lösung. „Wer im Netz nicht stattfindet, den streichen die Kunden irgendwann von ihrer Liste.“

Dennoch wollen von 100 durch die Unternehmensberatung PwC befragten Einzelhändlern 55 keinen Online-Shop aufbauen. Auswahl, Beratung, Einkaufserlebnisse – das könne zwar helfen, meint Sanktjohanser. „Aber wir dürfen da nicht so viel Nostalgie reinlegen.“ Nur offline gehe es nicht. Doch selbst wenn der Händler auch im Netz verkauft, sind Online und Offline selten verknüpft, ergab die Umfrage. Im Netz schauen, ob der Mantel aus dem Prospekt im Laden zu noch haben ist, oder das Handy online bestellen und im Geschäft abholen – solche Kundenwünsche erfülle bisher nur ein kleiner Teil der Händler.

Einer ist die Quickborner Buchhandlung Theophil. Dort können Kunden online Bücher bestellen und diese am folgenden Tag im Laden abholen. „Selbst wenn die Bestellung erst am späten Nachmittag eingeht, liegt der Artikel am nächsten Vormittag bei uns“, sagt Mitarbeiter Sönke Abeldt. „Gerade in der Weihnachtszeit, in der die Post manchmal länger braucht, haben wir damit den Vorteil der Schnelligkeit gegenüber der reinen Internetbestellung.“

Grundsätzlich habe die Buchhandlung sehr gute Erfahrungen mit dem Internet gemacht und nutze es auch als Informationskanal, zum Beispiel um Kunden über Facebook auf Veranstaltungen hinzuweisen. „Wir stellen uns aber auch immer die Frage: Was können wir bieten, was das Internet nicht hat?“, sagt Abeldt. Die Buchhändler versuchten, persönlich mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. So gibt es zusätzlich zum allgemeinen Newsletter einen personalisierten Newsletter für ausgewählte Kunden. Das Pinneberger Mode- und Sporthaus Kunstmann hingegen hat noch keinen Online-Shop. Sie nutzten das Internet nur als Informationsmedium, sagt Geschäftsführer Hermann Kunstmann.

Elmshorn setzt auf einen Gutschein, der die Kaufkraft an die Stadt binden soll. Seit 2009 wurden mehr als 120.000 Elmshorn-Gutscheine von der Sparkasse verkauft. 1,5 Millionen Euro Umsatz konnte bisher erzeugt werden. „Bei der Auswahl bleibt kein Wunsch offen und vielleicht entdeckt der Beschenkte auch neue Geschäfte“, so Manuela Kase vom Stadtmarketing. Mittlerweile akzeptieren den Gutschein mehr als 140 Unternehmen.

Diese Idee wolle die Stadtmarketing-Initiative in Quickborn aufgreifen, so Wolfgang Kluge, Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses. Zudem soll im kommenden Jahr ein Internetportal geschaffen werden, auf dem Quickborner Geschäftsleute Waren, Produkte und Dienstleistungen anbieten können. Der Kunde erhalte einen genauen Überblick, ob sein Wunschprodukt bei einem örtlichen Händler vorrätig sei. Vorteil für die Kaufleute, so Kluge: „Sie bekommen mehr Kunden und machen mehr Umsatz.“