Der Nabu Barmstedt startete 1984 als Gemeinschaft von Vogelkundlern. Heute gehören dem Verein 280 Mitglieder an

Leonie und ihre Forke geben ein bemerkenswertes Bild ab: Sieben Jahre ist das Mädchen alt und vielleicht halb so groß wie die Riesengabel, die sie in der Hand hält. Umso erstaunlicher ist es, wie geschickt Leonie mit dem Gerät umgeht. Immer wieder sticht sie mit den vier scharfen Zinken in das Mähgut, das vor ihren Füßen liegt und trägt es peu à peu zu einem Haufen zusammen. In kurzer Zeit wächst ein stattlicher Berg heran.

Zum Glück ist Leonie nicht allein auf der großen Feuchtwiese hinter dem Barmstedter Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Gymnasium. Mit 13 weiteren Mitgliedern des Barmstedter Naturschutzbundes (Nabu) hat sie sich an diesem Nachmittag getroffen, um einen Teil des Geländes von Heu zu befreien. „Die Wiese hat einen Orchideenbestand, den wir erhalten und erweitern wollen. Wenn wir die nährstoffreiche Mahd nicht entfernen, setzen sich andere Pflanzen durch“, erklärt Katja Erber, Betreuerin der Nabu-Jugendabteilung Naju.

Seit 30 Jahren engagiert sich der der Nabu Barmstedt für den Naturschutz in der Region. Die Renaturierung eines Geländes im Klein Offenseth-Bokelsesser Moor ist seit der Gründung der Gemeinschaft im Dezember 1984 ein Aktionsschwerpunkt. Birken werden dort entfernt und Feuchtbereiche angelegt. Darüber hinaus betreibt der Verein an vier Standorten Kopfweidenpflege und kümmert sich um 350 Nistkästen. Die Jugendgruppe Naju ist außerdem für eine Streuobstwiese am Nappenhorner Bach zuständig. „Insgesamt pflegen wir 100 Hektar. Davon sind 38 Hektar unser Eigentum“, sagt Gründungsmitglied Hans-Jürgen Raddatz.

Das Geräusch eines Dieselmotors unterbricht die Unterhaltung. Ernst-Reimer Saß, ebenfalls Betreuer der Jugendgruppe, knattert mit einem Trecker heran – Marke Eicher, Baujahr 1968. Er steuert das Heck seines Fahrzeugs zu einem der Heuhaufen. Kinder und Erwachsene eilen herbei, um mit ihren Forken die Gräser auf den Heuschwanz des Traktors zu spießen. Bevor Saß die Ladung zu einer entlegenen Ecke des Grundstücks abtransportiert, klettern einige Kinder zu ihm auf den Bock – eine Riesengaudi ist das. Die Zurückbleibenden muss Saß auf die nächste Tour vertrösten.

„Wir sind heute mit einem großen Maschinenpark gesegnet. Angefangen haben wir mit Spaten und Bügelsägen“, erinnert sich Raddatz schmunzelnd. Die Gründungsmannschaft habe sich im Herbst 1984 von der Elmshorner Ortsgruppe des Deutschen Bunds für Vogelschutz (DBV) gelöst, um ein stärkeres Gewicht auf die Arbeit in und um Barmstedt zu legen. Mit einem Stand auf dem Barmstedter Weihnachtsmarkt warben die Aktivisten für ihr Vorhaben. „Zur Gründungsveranstaltung kamen 90 Teilnehmer“, sagt Raddatz. „Die 80er-Jahre waren eine Aufbruchszeit für den Naturschutz.“

Der Verein, der sich 1990 dem Nabu anschloss, konzentrierte sich zunächst weiter auf den Vogelschutz. Andere Tiere und Pflanzen spielten eine untergeordnete Rolle. „Wir waren voller Enthusiasmus, aber auch voller Naivität. Heute haben wir einen erweiterten Horizont“, resümiert Raddatz. Als spektakulärsten Erfolg der Vereinsarbeit zählt der 55-Jährige, dass Kraniche ins Klein Offenseth-Bokelsesser Moor zurückkehrten. „Seit zehn Jahren brüten dort bis zu vier Paare“, erzählt er. Die Maßnahmen zum Schutz von Wiesenvögeln hätten hingegen nichts gebracht. Den Rückgang der Bestände konnte das Team nicht aufhalten. „Das schmerzt uns sehr. Wir dachten, wir schaffen das“, sagt Raddatz. Insgesamt investierte die Gruppe nach Angaben des Vorsitzenden Hans-Peter Lohmann in den vergangenen 30 Jahren 16.000 Arbeitsstunden in die Betreuungsgebiete.

Die Gruppe entwickelte sich weiter. Heute gehören dem Verein 280 Mitglieder an. 2004 kam die Jugendabteilung Naju hinzu, in der sich zur Zeit acht Mädchen und Jungen im Alter von sieben bis 16 Jahren engagieren. Ihre Treffen finden an jedem 2. und 4. Freitag im Monat statt. Wenn es ganz kalt ist, sind die Kinder drinnen und bauen Nistkästen für Vögel und Unterkünfte für Insekten. Meistens halten sie sich aber draußen in den Betreuungsgebieten auf. „Bei unseren Spaziergängen erklärt Reimer uns, wie der Vogel heißt, der da gerade zwitschert“, erzählt Jendrik. Dem 16-Jährigen gefällt es in der Gruppe so gut, dass er ihr seit sieben Jahren die Treue hält. Jerrik, 11, schwärmt hingegen vom Grillen mit Sonnenlicht. Die Gruppe habe dafür Schüsseln mit Spiegelfolie ausgekleidet, berichtet er. Für Fabian ist es schön, mit den anderen etwas draußen zu unternehmen: „Das ist besser als vor dem PC zu sitzen, denn hier erleben wir selber etwas. Trecker fahren zum Beispiel. Am PC geht das nicht“, sagt der Zwölfjährige.

Mittlerweile dämmert es. Die Helfer stellen die Forken beiseite. Die Großen haben einen Campingtisch aufgeklappt, von dem sich jeder mit alkoholfreiem Punsch bedienen kann. Jeder umfasst seinen heißen Becher mit den kalt gewordenen Fingern. Plötzlich ist aus der Ferne ein Vogellaut zu hören. „Das ist ein Kranich“, platzt Tymon, 11, in die Runde und ergänzt dann etwas leiser: „Wie die klingen, weiß ich ja.“

Anlässlich des Gründungsjubiläums lädt der Nabu Barmstedt für Donnerstag, 4. Dezember, zu dem Vortrag „Mit Kranichen unterwegs – eine fotografische Reise durch Europa“ ein. Besucher sind von 19.30 Uhr an in Barmstedt im Humburg-Haus (Chemnitzer Straße 10) willkommen.