Hans-Jürgen B. muss sich als Kopf eines Dopinghändlerrings vor dem Schöffengericht Elmshorn verantworten

Elmshorn. Im Bankdrücken brachte es Hans-Jürgen B. bis zum Senioren-Weltmeister. Seit dieser Woche drückt der mittlerweile 64-Jährige die Anklagebank des Schöffengerichts Elmshorn. Gewerbsmäßiges Inverkehrbringen von Arzneimitteln zu Dopingzwecken im Sport wirft Anklägerin Sandra Nehlep dem Bodybuilder vor. Seine Lebensgefährtin Astrid B., 51, und Lieferant Grzegorz P., 48, mit Wohnsitz in Hamburg müssen sich wegen Beihilfe verantworten.

In Elmshorn war der Hauptangeklagte eine schillernde Persönlichkeit. Gern stellte Hans-Jürgen B., der als Schwerathlet und als Trainer tätig war, seine Muskelberge für Fotos zur Schau. Er betrieb ein Leistungszentrum an der Max-Planck-Straße und warb sogar mit dem damaligen Polizeichef und dem Fachdienst Jugend des Kreises für ein Projekt namens „Sport statt Strafe“, bei dem straffällig gewordene Jugendliche im Kraftsport Erfolgserlebnisse erfahren sollten. Dass der sportliche Erfolg von Hans-Jürgen B. zum Großteil auf illegale Dopingmittel zurückzuführen war, war den anderen Projektbeteiligten offenbar nicht klar.

Das änderte sich am 1. November 2012. Bei einer Großrazzia verschafften sich 230 Beamte von Polizei und Zoll sowie sechs Staatsanwälte der Staatsanwaltschaft Itzehoe zeitgleich Zutritt zu 41 Objekten in sechs Bundesländern. In der Athletenschmiede an der Max-Planck-Straße wurden illegale Dopingmittel in erheblicher Menge sowie Arzneimittel, die Bodybuilder als Beikonsum gegen die Nebenwirkungen nehmen, etwa Viagra, Insulin oder Wachstumshormone, beschlagnahmt. Als Kopf der Bande wanderte Hans-Jürgen B. ins Gefängnis. Kurz vor Weihnachten 2012 erhielt der vom jahrelangen Dopingmissbrauch schwerkranke Mann Haftverschonung.

Mehr als 30 Mitbeschuldigte, darunter Helfershelfer des Angeklagten sowie Zwischenhändler, sind inzwischen abgeurteilt. Sie kommen im Verfahren gegen Hans-Jürgen B. und seine beiden Mitangeklagten als Zeugen infrage. Am ersten Prozesstag dauerte allein die Verlesung der Anklage 75 Minuten. Jede einzelne Substanz und ihren Wirkstoffgehalt zählte Staatsanwältin Nehlep auf. Und das Angebot in der Athletenschmiede war laut Anklage reichhaltig: Es gab Testosteron Enantat und Propionat, die gängigsten Mittel in Bodybuilderkreisen. Doch auch anabole Steroide wie Nandrolon, Trenbolon, Drostanolon, Methandienon oder Boldenon konnten sich Muskelsüchtige dort beschaffen.

Hans-Jürgen B. besorgte sich die Produkte überwiegend zu günstigen Preisen in Polen. Acht Fahrten in das Nachbarland, bei denen der heute 64-Jährige die heiße Ware über die Grenze schmuggelte, listet die Anklageschrift auf. Dabei nahm der Elmshorner seine junge Geliebte – sie ist bereits in einem Jugendgerichtsverfahren verurteilt worden – und seine zwei kleinen Enkelkinder mit, um bei den Zöllnern keine Aufmerksamkeit zu erregen. Einmal ließ er den Fahrzeugschein vom VW Bus seiner 51-jährigen Lebensgefährtin als Pfand zurück, weil er die Dopingmittel nicht bezahlen konnte. Eine Woche später, nachdem er in Elmshorn die norddeutschen Meisterschaften im Bankdrücken veranstaltet hatte, kehrte Hans-Jürgen B. nach Polen zurück, zahlte seine Schulden und erwarb gleich neue Ware.

Acht weitere Punkte der Anklageschrift betreffen Käufe, die der Angeklagte in Hamburg getätigt hat. Punkt 17 betrifft die Funde, die von den Ermittlern anlässlich der Durchsuchung gemacht worden sind. Als „enorme Mengen“ bezeichnete Dr. Hans Geyer, der stellvertretende Leiter des Institutes für Biochemie der Deutschen Sporthochschule in Köln, die laut Anklage in Elmshorn getätigten Umsätze an Dopingpräparaten.

Richterin Renate Päschke-Jensen hat den Experten als Sachverständigen geladen, um beurteilen zu können, wie gefährlich die in der Athletenschmiede verkauften Mittel tatsächlich sind. „Alle Bodybuilder nehmen solche Präparate“, hielt Hans-Jürgen B. dem Experten vor. Zur Anklage äußerte sich der 64-Jährige am ersten Prozesstag nicht. Und auch die Mitangeklagten schwiegen. Das könnte sich am nächsten Prozesstag am 20. November ändern, wenn auch erste Zeugen aussagen werden.

Geständnisse der Angeklagten würden den Prozess verkürzen und die Strafe reduzieren. Entsprechende Verständigungsgespräche führten jedoch bislang nicht zu einer Einigung.