Vier Mitarbeiter aus dem Gebäudemanagement sollen Baumaterialien in großer Menge unterschlagen haben

Elmshorn. Um 9 Uhr am Mittwoch schlugen Fahnder von Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt im Elmshorner Rathaus zu. 90 Minuten später musste Bürgermeister Volker Hatje der Belegschaft während einer Personalversammlung mitteilen, dass vier ihrer Kollegen unter dem Verdacht der Untreue, Unterschlagung und Bestechlichkeit stehen. „Die Kollegen waten geschockt, einige hatten Tränen in den Augen“, erinnert sich der Erste Stadtrat Dirk Moritz an den Moment der Verkündung.

Mit den schweren Vorwürfen, die vier Mitarbeiter aus dem Gebäudemanagement betreffen, sind Moritz, Hatje und der Büroleitende Beamte Carsten Passig bereits seit Ende Mai konfrontiert. „Zu diesem Zeitpunkt haben wir Hinweise auf Unregelmäßigkeiten erhalten, auf Rechnungen, die nicht zuzuordnen waren“, erläutert Hatje. Er habe zunächst mit Passig, später dann auch mit Moritz erste Überprüfungen vorgenommen. Das Trio stieß auf ein System, das offenbar schon längere Zeit praktiziert wurde – und das der Stadt möglicherweise erhebliche finanzielle Schäden zugefügt hat. Nachforschungen ergaben, dass allein seit Ende Oktober ein mittlerer fünfstelliger Betrag zusammen gekommen ist.

Beschuldigt werden vier Mitarbeiter aus dem Gebäudemanagement, das sich um die Unterhaltung städtischer Liegenschaften sowie Neubauprojekte aus diesem Bereich kümmert. Laut einem gemeinsamen Tatplan sollen zwei Architekten, eine Verwaltungskraft und ein Hausmeister Baumaterialien in größerem Umfang unterschlagen haben. Offenbar waren auch Mitarbeiter von Firmen eingeweiht, die für die Lieferungen verantwortlich waren.

Beim Neubau der KGSE soll Baumaterial beiseite geschafft worden sein

„Wir ermitteln gegen Amtsträger aus dem Elmshorner Rathaus wegen Untreue und Bestechlichkeit sowie gegen Mitarbeiter von Firmen wegen Beihilfe zur Bestechung“, bestätigt Birgit Heß, die Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft in Kiel. Nach ihren Angaben betrifft ein Großteil der Vorwürfe den Neubau der Erich-Kästner-Gemeinschaftsschule (KGSE).

Doch auch andere Projekte des Gebäudemanagements sollen betroffen sein. Etwa 100 Ermittler des Landeskriminalamtes und der Staatsanwaltschaft Kiel durchsuchten am Mittwoch zeitgleich diverse Objekte, darunter das Rathaus, die Bismarckschule, die Grundschule Hainholz sowie das Gelände des ehemaligen Klärwerks an der Kruck, das als Materiallager dient. Auch die Privatwohnungen der Beschuldigten, darunter Beamte und Angestellte, nahmen die Fahnder unter die Lupe. Bis zum späten Nachmittag parkten zwei Polizeiwagen auf dem Rathausparkplatz. Um kurz nach 14 Uhr luden die Staatsanwälte kistenweise Beweismaterial, darunter Aktenordner und Computerfestplatten, in die Fahrzeuge ein.

Nach Abendblatt-Informationen soll die Lawine ins Rollen gekommen sein, als einer der beschuldigten Lieferanten eine Rechnung stellte und dabei das Bauvorhaben verwechselte. Das Papier landete daraufhin auf dem Tisch einer unbescholtenen Mitarbeiterin, die stutzig wurde und die Verwaltungsleitung informierte. Nachforschungen ließen dann immer mehr Unregelmäßigkeiten zutage treten – etwa, dass für eine Pflasterfläche von zehn Quadratmetern 140 Quadratmeter Pflaster bestellt worden war und die überschüssige Ware verschwunden ist. Hauptbeschuldigte soll eine städtische Architektin sein, die das Material dem Vernehmen nach für ein privates Bauprojekt verwendete.

Stadtrat Moritz spricht von „hochkrimineller Energie“, die von den Bediensteten angewandt worden ist, um „sich zu bereichern“. Nach der ersten Prüfung des Sachverhalts hatten sich Hatje und Co. an die Kripo Elmshorn gewandt, die den brisanten Fall wiederum an das Lka weiterreichte. „Vom 13. Oktober an haben die Spezialisten intensiv geprüft, ob an den Vorwürfen etwas dran ist. Letztlich haben sie uns in Kenntnis gesetzt, dass ein Richter die Durchsuchungen genehmigt hat“, so der Bürgermeister. Er habe „sehr schlecht geschlafen“, so Hatje weiter.

Die Stadt hat sich bewusst gegen eine interne Aufarbeitung entschieden

Die Stadt habe sich jedoch bewusst gegen eine interne Aufarbeitung entschieden, weil sie der Komplexität des Falles nicht gerecht worden wäre und die Beschuldigten Beweismaterial hätten beiseite schaffen können. „Für solche Verfehlungen gibt es keine Toleranz“, betont der Bürgermeister. Die Stadt habe den Fall aufgedeckt, sie arbeite eng mit der Staatsanwaltschaft zusammen und werde alles dafür tun, die Beschuldigten für die entstandenen Schäden in Regress zu nehmen.

Die betroffenen Mitarbeiter wurden am Mittwoch von ihren Aufgaben entbunden, sie mussten Rathausschlüssel und Dienstausweis abgeben und sind freigestellt. „Die Handlungsfähigkeit des Flächenmanagements ist stark eingeschränkt“, so Hatje. Nach der Freistellung bleiben der Verwaltung nur zwei Architekten, um die städtischen Gebäude zu betreuen. Wie es nun mit den Projekten weiter geht, ist noch völlig unklar. „Wir werden Donnerstag mit den übrig gebliebenen Mitarbeitern sprechen“, so Stadtrat Moritz