Einmal im Jahr stechen Mitarbeiter der Jugendpsychiatrie der Regio-Kliniken Elmshorn mit ihren Schützlingen in See

Elmshorn. Der Tag, an dem Laura mit der „Pegasus“ in See stach, war einer der schlimmsten ihres Lebens. Die Jugendliche war damals 14 Jahre alt und wurde wegen eines Waschzwangs stationär in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (KJPP) in der Regio-Klinik in Elmshorn behandelt. „Ohne vernünftige Dusche und auf engstem Raum mit Fremden, das war für mich unvorstellbar“, sagt die heute 17-Jährige, die anonym bleiben möchte. Von den Betreuern wurde sie überredet, sich das Schiff doch erst einmal anzuschauen, bevor sie gänzlich Nein sage. „Das tat ich, als es plötzlich vom Hafen ablegte.“ Tränen und Wutausbrüche halfen nichts, Laura musste mit.

Seit sechs Jahren gehen die Mitarbeiter der KJPP einmal im Jahr mit ihren Schützlingen eine Woche lang auf Segeltour. „Auf einem Segelschiff spürt jeder die Kraft des Meeres. Alle sitzen sprichwörtlich in einem Boot und müssen im Team mit anpacken. Die Patienten spüren Verantwortung und erleben, dass sie gebraucht werden. Diese Erfahrungen lassen sich später gut auf Station oder die Familie übertragen“, sagt Henning Röper, Psychologe und therapeutischer Leiter der Jugendstation. Viele Teenager sind verhaltensauffällig, haben Schwierigkeiten, sich in eine Gruppe einzufügen.

Wochenlang bereiten Psychologen, Ärzte, Therapeuten, Pfleger und Erzieher sowie Lehrer die Jungen und Mädchen im Alter zwischen zwölf und 16 Jahren auf den Törn in der Dänischen Südsee vor. „Einem Jungen mussten wir in diesem Sommer vorher das Schwimmen beibringen“, sagt Röper. Ein magersüchtiges Mädchen wurde von Sondennahrung auf normales Essen umgestellt. Von Kiel aus kreuzt die Gruppe aus sechs Betreuern, zehn Kindern und Jugendlichen sowie einem Matrosen unter dem Kommando des niederländischen Skippers Wietze van der Laan jeden Sommer über die Ostsee bis zur dänischen Insel Aero. Nach fünf Tagen legt das Schiff wieder in Kiel an.

Eine lange Zeit für jemanden, der am liebsten Zuhause geblieben wäre. „Ich habe meine Eltern angefleht, mich am ersten Hafen, den wir abends anliefen, abzuholen“, sagt Laura. Die blieben hart. Was Laura zu dem Zeitpunkt nicht wusste: Die Eltern waren von vornherein eingeweiht und arbeiteten eng mit den Ärzten zusammen.

Am zweiten Tag fügte sich das Mädchen seinem Schicksal, aber nicht, ohne gewisse Konditionen auszuhandeln. An den Küchen- und Putzdiensten musste sie sich nur bedingt beteiligen. „Ich hatte genug mit mir selbst zu tun“, sagt Laura. Ihren täglichen zwanghaften Reinigungsritualen konnte sie nicht nachgehen. „Das Nichtstun hat mich viel Kraft gekostet.“ Sie versuchte, sich mit dem Lernen von Knoten und Stichen abzulenken.

„An einem Nachmittag sprangen wir vom Boot aus ins Wasser und ließen uns an Seilen hinterher ziehen“, sagt Laura. Der Spaß nahm ein abruptes Ende, als der Kapitän den Motor startete und dabei aus Versehen die Toilette abpumpte. Laura, die Letzte im Wasser, schwamm plötzlich in der Kloake. An Bord waren Crew, Betreuer und Teilnehmer geschockt. Zudem war die Strömung so stark, dass einer der Rettungsschwimmer sie zur Leiter schleppen musste. An Bord streckte er seine Hand in die Luft – und Laura, die sonst nie einen Menschen freiwillig berührt hätte – schlug erleichtert ein. Ein Moment, den an Bord keiner so schnell vergessen wird. „Wir erzielen auf jeder Reise spürbare therapeutische Fortschritte. Aber das war schon ein besonderer Moment“, sagt der Psychologe. Der, in dem Lauras Bann gebrochen wurde.

Der Waschzwang war zwar nicht sofort verschwunden, doch die neuen Erfahrungen ließen weitere zu. Sie lernte, ihre Muster zu durchbrechen, fand Schritt für Schritt zurück in einen Alltag ohne Kontrollzwang. „Ich mache jetzt eine Ausbildung zur sozialpädagogischen Assistentin“, sagt Laura. In ihrer Erinnerung ist der Segeltörn als „superschöne“ Erfahrung abgespeichert.