Dem 19 Jahre alten Quickborner Hannes Maaß gelingt der Sprung vom Hospitanten direkt auf die Bühne des Ernst Deutsch Theaters

Quickborn/Hamburg . Eine Praktikantin fegt auf einem Reiterhof täglich die Stallgasse, darf plötzlich an einem großen Turnier teilnehmen und gewinnt den zweiten Platz. So funktionieren kitschige Jugendfilme – das richtige Leben aber nicht. Oder doch? Was Hannes Maaß aus Quickborn gerade erlebt, beweist: Auch in der Realität gibt es solchen glücklichen Wendungen.

„Nachmittags, ich war noch total verpennt, ging das Telefon, die Intendantin des Ernst Deutsch Theaters, Isabella Vértes-Schütter, war dran. Sie fragte, ob ich mir zutraue, für Ralph Sporleder einzuspringen, er habe sich das Bein gebrochen. Ohne weiter nachzudenken, sagte ich zu.“ Dann ging alles ganz schnell. Hannes setzte sich in ein Taxi, um rechtzeitig für Kostüm-Anprobe und Maske im Theater zu sein. Wenige Stunden später fand er sich auf der Bühne des größten deutschen Privattheaters in Hamburg wieder. „Ich wusste, ich durfte nicht nachdenken, ich musste einfach nur machen.“

Vor sieben Monaten sah die Zukunft des Quickborners weniger rosig aus. Kurz vor dem Abitur schmiss er die Schule hin, um Künstler zu werden, sein „eigenes Ding“ zu machen und aus „allen Konventionen auszubrechen“. Zunächst fand er sich aber in einem tiefen Loch wieder. Er verarbeitete seine Erfahrungen, Ängste und Hoffnungen in Gedichten, die er auf verschiedenen Poetry-Slams in Hamburg und Wedel vortrug. „In der Slamer-Szene fühlte ich mich aufgehoben, unter Menschen, die so ähnlich ticken wie ich.“

Bereits seit seinem fünften Lebensjahr steht Hannes auf der Bühne. Angefangen hatte er im Kindertheater bei Irmela Hühnke in Ellerau, wo auch seine Schwester Mirella mitspielte. „Später bin ich bei der Quickborner Speeldeel in den Weihnachtsmärchen und mit der Jugendgruppe von Peter Behn aufgetreten. Ich erinnere mich noch gern an meine erste Hauptrolle als Mogli im Dschungelbuch.“

So richtig Blut leckte er mit neun Jahren, als er erstmals an einem Jugend-Seminar des Verbandes der Amateurtheater Schleswig-Holstein bei Elke Heilsberger teilnahm. „Dort traf ich Kinder und Jugendliche, für die das Theaterspielen genauso wichtig war wie für mich. Mit vielen bin ich bis heute fest befreundet, und wir machen viele Projekte zusammen.“

Heilsberger holte Hannes später zum Jugendtheater „kennt keiner“ nach Bargteheide. Die Truppe gewann 2013 mit dem Stück „Von Mäusen und Menschen“ den Publikumspreis der Theatertage Wedel.

„In mir wuchs immer mehr der Wunsch, das Theater zum Mittelpunkt meines Lebens zu machen.“ Darum war er begeistert, als er in diesem Sommer von Marco Damghani, den er auf einem Poetry-Slam kennenlernte, gefragt wurde, ob er Lust habe, eine Regie-Hospitanz am Ernst Deutsch Theater zu machen. Bei der Inszenierung des Kinderstücks „Der kleine Vampir in Gefahr“ durfte Hannes bei dem Regisseur und Schauspieler Wolf-Dietrich Sprenger hinter die Kulissen einer großen Bühne gucken. „Wolf und das gesamte Ensemble nahmen mich vom ersten Moment an für voll. In den sechs Wochen der Proben lernte ich mehr als in drei Jahren Schule.“

Alle bestärkten den jungen Hospitanten kurz darauf, sich als Regie-Assistent für die Produktion des Stücks „Der Mann in der Badewanne“ des Theaters Kontraste am Winterhuder Fährhaus zu bewerben. Trotz seines jugendlichen Alters entschieden die Regisseurin Ayla Yeginer und Produktionsleiterin Hanna Klug, ihm eine Chance zu geben.

„Es war eine total intensive Arbeit mit Ayla und dem ganzen Team. Wir brachten ein modernes Stück auf die Bühne. Jede einzelne Szene war voll mein Ding. Bei der Premiere flossen Tränen.“

Kaum war die erste Vorstellung gelaufen, fand sich Hannes am Ernst Deutsch Theater wieder. Sprenger hatte ihn als Hospitant für die Proben zur Uraufführung des Stück „Heute bin ich blond“ angefordert. Die Geschichte wurde bereits verfilmt und erzählt das wahre Leben einer erst 21 Jahre alten Frau, die an Krebs erkrankt. „Das allgegenwärtige Thema inszenierte Wolf Sprenger einfühlsam, ohne ins Kitschige zu driften – und ich durfte wieder Teil dieser Arbeit sein.“

Stolz war Hannes, als ihm und Regie-Assistentin Eva Lindström die Abendregie angeboten wurde. Vier Aufführungen Anfang Oktober verfolgte er vor und hinter der Bühne und fungierte als „Mädchen für alles“, wenn die Bühne quietschte oder Requisiten fehlten. „Ich kannte das Stück in- und auswendig, trotzdem musste ich schlucken, als Isabella Vértes-Schütter anrief und mich bat, einzuspringen. Aber das gesamte Team hat es mir leichtgemacht.“

Seit dem 13. Oktober gibt Hannes Maaß jetzt allabendlich in einer kurzen Rolle einen Transvestiten, grell geschminkt, auf hohen Plateau-Schuhen. „Früher oder später musste es ja so kommen“, sagt Hannes mit Blick auf seine rosa Fingernägel. „Weckt mich nicht, ich lebe gerade meinen Traum.“

„Heute bin ich blond“ läuft noch bis zum 8. November auf der Hauptbühne des Ernst Deutsch Theaters, Friedrich-Schütter-Platz 1, Hamburg.