Eine Schreckensbilanz von Lars Hansen

Den Kelten war ihr Feiertag im Herbst besonders wichtig: Immerhin war er einer der wenigen Tage, an denen das Tor zu jenseitigen Welten offen war. So war es zwar gefährlich, nachts draußen zu sein – immerhin hätte einen ja ein böswilliger Geist ins Jenseits mitschnacken können – andererseits war es auch eine Gelegenheit, etwas über unlängst Verstorbene oder Verschwundene zu erfahren. So glaubten es jedenfalls die Kelten.

„Klar, kennen wir“, sagten die Frühzeit-Missionare und zwinkerten sich zu. „Das ist doch der Tag, an dem wir mit allen unseren Heiligen in Kontakt treten.“ Wenn sie jetzt allerdings dachten, durch die Umwidmung des Geisterfestes in Allerheiligen den Geisterglauben losgeworden zu sein, kannten sie die sturen Kelten schlecht: Morgens ging man zu Allerheiligen in die Kirche, die Nacht davor gehörte den Geistern– und zwar wahrhaft fiesemöppelig gruseligen Wesen.

Womit wir beim vergangenen Wochenende wären. Mit einem Umweg über die USA ist das Geisterfest ja auch bei uns angekommen und wird immer populärer. Das ist ja an sich nicht schlimm. Andere US-Importe, wie Rock’n‘Roll oder föderale Demokratie, haben uns ja auch nicht geschadet. Doof ist aber, wie verwässert das Fest hier angekommen ist. Ab sechs haben am Freitag bei mir Kinderbanden geklingelt und wollten Bonbons haben. Genau wie in England, Irland oder den USA. Nur wirklich gruselig waren sie nicht. Eher dreikäsehohe Faschingsvampire, die unmotiviert den Spruch „Süßes oder Saures” herunterleiern, und auch keinen Plan B in petto haben, falls sie mal nichts kriegen. Das ist im Ursprungsland der eigentliche Witz: Wer mit Süßem geizt, kriegt Saures. Er wird von den Geistern geplagt. Mit Streichen, die zwar nerven, aber ansonsten harmlos sind. Das ist zwar Nötigung, wird dort aber einmal im Jahr geduldet.

Bei uns fehlt der Nötigung die Qualifikation. Wovor soll ich mich also gruseln? 0Seit ein paar Jahren drehe ich den Spieß um: Ich erschrecke die Knirpse selbst. Überzeugend spiele ich den Kinderfresser. Das nützt aber auch nichts. Es kommen seitdem nur einfach weniger Kinder vorbei. Halloween müssen die echt noch üben.