Das Stadtmuseum an der Dingstätte zeigt, wie sich der Erste Weltkrieg auf den Kreis auswirkte

Pinneberg. Das Milchkännchen ist so winzig, dass es aussieht als gehöre es in eine Puppenstube. Kaum vorstellbar, dass es während des Ersten Weltkrieges die Milchration für zwölf Menschen fasste. Das filigrane Porzellanstück steht in einer Vitrine im Pinneberger Stadtmuseum. Daneben der Dostojewski-Roman „Memoiren aus einem Totenhaus“, in dem noch eine Gewehrkugel steckt. Soldat Gerhard Kuehn trug ihn im Schützengraben in Russland bei sich. Ob das Buch sein Leben rettete? „Wir möchten es glauben“, sagt Museumsleiterin Ina Duggen-Bülow. Doch das ist nicht überliefert.

Fast zwei Jahre hat sie gemeinsam mit Johannes Seifert und Wolfgang J. Domeyer von der VHS-Geschichtswerkstatt an der Ausstellung „Erster Weltkrieg – Pinneberger Schicksale“ gearbeitet. Bei einem Rundgang durch das Museum blicken sie zurück auf den schwierigen Prozess. „Wir wollten das Thema auf lokaler Sicht abbilden“, sagt Domeyer. Zunächst fehlten Exponate. Durch Aufrufe in den lokalen Zeitungen ließ sich dieses Problem lösen. Bürger stellten private Erinnerungsstücke zur Verfügung. So können Besucher anhand einzelner Schicksale aus dem Kreis Pinneberg, die sich mehr oder weniger ausführlich rekonstruieren ließen, die Ereignisse des Ersten Weltkrieges verfolgen. Tagebücher, Fotos, Familienalben, Feldpost, Dokumente und Auszeichnungen erzählen nach, wie es Menschen wie dem Architekten Klaus Groth oder den drei Beig-Brüder erging.

Zu Beginn der Ausstellung wird schnell deutlich, welche zentrale Rolle Kriegervereine vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges zukamen. Ursprünglich waren sie aus Gründen der Geselligkeit gegründet worden. Seit den 1880er-Jahren wurden sie wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Sozialdemokratie im Deutschen Reich und dienten der Glorifizierung der Militärzeit. Nach offizieller Meinung spielten sie eine wichtige Rolle für Traditionspflege und Wehrbereitschaft. Der Kreis Pinneberg zählte 1903 insgesamt 69 Kriegervereine mit mehr als 4500 Mitgliedern. Hier fiel Propaganda von Wehrhaftigkeit und Weltmacht-Fantasien auf fruchtbaren Boden. „Der Kriegsbegeisterung des Jahres 1914 folgte schnell die Ernüchterung“, sagt Ina Duggen-Bülow. Aus dem angekündigten „Spaziergang nach Paris“ wurde nichts. Rasch waren viele Tote und Verwundete zu beklagen. Der erste Pinneberger, der sein Leben ließ, war der Korvettenkapitän Wilhelm Franck. Als erster Offizier auf der S.M Schiff Ariadne starb er am 28.August 1914 im Seegefecht bei Helgoland. Nach ihm erlitten weitere 270Männer aus dem Kreis das gleiche Schicksal und viele kamen verwundet an Körper und Seele aus dem Krieg zurück, so wie Heinrich Christian Peters, der eigentlich die Fleischerei des Vaters übernehmen sollte. „Aufgrund einer Kriegsverletzung einer Hand konnte er den Beruf nicht mehr ausüben“, sagt Duggen-Bülow. Peters wurde Streckenwärter bei der Bahn.

Außer den Soldatenschicksalen mit Tod, Verwundung und Kriegsgefangenschaft beleuchtet die Ausstellung die Heimatfront, den Steckrübenwinter und geplünderte Brotläden. „1915 wurden zunächst Brotkarten ausgegeben“, sagt Seifert. „Danach gab es fast für alles Lebensmittelkarten.“ In Kriegsküchen wurde Suppe ausgegeben. Schüler waren aufgefordert Buchecker, Kastanien, Brennnesseln oder Eicheln zu sammeln, Ersatzstoffe für Nahrungsmittel. Aus Obstkernen wurden Öle gewonnen. Geld verlor an Wert. Lastwagen und Pferde wurden an der Front gebraucht. Daheim wurden die Fuhrwerke von Ochsen durch die Straßen gezogen. Wer aufmerksam durch das Museum geht, kann sich schnell in Details verlieren. „Es fällt auf, dass die Besucher länger als sonst verweilen“, sagt Duggen-Bülow. Auffällig sind auch die langen, emotionalen Einträge im Besucherbuch.

Die Ausstellung ist bis zum 31. März im Stadtmuseum, Dingstätte 25, jeweils dienstags, mittwochs und freitags, 17 bis 19 Uhr, donnerstags, 10 bis 12 und 15 bis 17 Uhr sowie sonnabends, 11 bis 13 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.