Wedeler Unternehmen informiert die Mitarbeiter. Dem Schritt ging eine Niederlage vor dem Arbeitsgericht voraus

Wedel/Elmshorn. Der Pharmakonzern AstraZeneca will bundesweit 280 von 900 Stellen abbauen. Das wurde am Donnerstag während eines Gütetermins vor dem Arbeitsgericht Elmshorn bekannt. Bereits seit Ende August geht bei dem Pharmariesen die Angst vor einer Kündigungswelle um. Über Details konnte der Betriebsratschef Frank Gotzhein die Mitarbeiter nicht informieren, weil die Geschäftsführung den Vorgang als Betriebsgeheimnis einstufte. Dagegen klagte der Betriebsrat vor dem Arbeitsgericht Elmshorn.

Bis zuletzt hatte die Geschäftsführung des Wedeler Unternehmens versucht, die brisanten Informationen geheimzuhalten. Mehr als 40 Seiten umfassen die beiden Schriftsätze, in denen Arbeitgeber-Anwalt Martin Krömer den Ausschluss der Öffentlichkeit in dem Gerichtsverfahren forderte. Jedoch vergeblich. Gleich zu Beginn wies Arbeitsrichterin Dorle Kröger den Antrag mit der Begründung zurück, dass „keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Gegenstand der Güteverhandlung sind“. Und wenig später wurde bekannt, was die Geschäftsführung gerne verheimlicht hätte, was jedoch eben kein Betriebsgeheimnis ist – nämlich der massive Stellenabbau.

Geschlossen werden soll der gesamte Außendienst für Diabetes-Medikamente bei AstraZeneca. Diesen Schritt will der Konzern, der bereits seit 2007 kontinuierlich Stellen abbaut, zum Ende des Jahres vollziehen. Die 280 Mitarbeiter, die bis zu 90.000 Euro Jahresgehalt verdienen, sind offiziell am Standort Wedel angedockt und fallen unter die Zuständigkeit des dortigen Betriebsrates. Die Außendienstler sind jedoch im ganzen Bundesgebiet tätig und wohnen in ihrem Betreuungsgebiet in einem der 16 Bundesländer. AstraZeneca will ihre Aufgaben einem externen Dienstleister übertragen, bei dem Mitarbeiter offenbar zu günstigeren Konditionen beschäftigt werden. Bereits seit mehreren Jahren unterstützen billige Mitarbeiter von Leiharbeitsfirmen den Außendienst.

Verhandlungen mit dem Betriebsrat über einen Interessenausgleich sind bereits angelaufen, wie der Anwalt des Betriebsrates, Gerhard Cesarano, während des Gerichtstermins erklärte. Arbeitgeber und Betriebsrat zoffen sich noch in einem anderen Fall, für den ebenfalls am Donnerstag ein Gütetermin anstand: So hat die Geschäftsführung die Versetzung von 20 Außendienstmitarbeitern in die Marketingabteilung verfügt. Sie wären also nicht von der Kündigung betroffen. Der Betriebsrat hält dies für einen Schachzug des Arbeitgebers, nur ihm genehme Mitarbeiter weiter beschäftigen zu wollen, und hat den Versetzungen widersprochen. Nun hat auch in diesem Fall das Arbeitsgericht das letzte Wort. Weil es in beiden Güteterminen zu keiner Einigung kam, setzte Arbeitsrichterin Kröger jeweils Kammertermine an.

„Die Konflikte in dem Unternehmen sind vielschichtig. Der Betriebsrat möchte mit den Mitarbeitern reden, ohne die Fessel Schadenersatzansprüche“, so Anwalt Cesarano in dem Gerichtsverfahren. Der Arbeitgeber habe dem Betriebsrat mit einer Strafanzeige und mit Schadenersatzansprüchen in erheblicher Höhe gedroht, wenn er den geplanten Stellenabbau publik mache. Dass die Öffentlichkeit der Verhandlung weiter folgen durfte und nun die Informationen publik geworden sind, wertet Cesarano als Erfolg.

Als Reaktion hat Dirk Greshake, Geschäftsführer von AstraZeneca Deutschland, am Donnerstag die Belegschaft über die Pläne informiert. Das Unternehmen habe vor diesem Schritt über einen Sozialplan verhandeln wollen, versuchte der AstraZeneca-Chef die Haltung des Unternehmens zu rechtfertigen. Er bedauere das Vorgehen des Betriebsrates, der „weitere Verunsicherung im Unternehmen geschürt habe“, so Greshake in einer am Abend veröffentlichten Pressemitteilung. „Wir hielten und halten es für gute und erprobte Praxis, dass Betriebsrat und Geschäftsleitung zunächst im geschützten Rahmen beraten, um die konkreten dann gemeinsam in das Unternehmen zu tragen.“ Laut Greshake laufen von den vier Wachstumsbereichen bei AstraZeneca die Bereiche Herzkreislauf, Onkologie und Atemwege sehr gut. „Im Bereich Diabetes hingegen haben wir es mit einem sehr schwierigen Markt zu tun.“ Das liege an den extrem niedrigen Erstattungspreisen, die in Deutschland für die Diabetes-Produkte der Firma gezahlt werden.

Daher habe AstraZeneca bereits vor längerem angekündigt, den Vertrieb im Bereich Diabetes neu aufzustellen. Künftig werde der Konzern nur noch die Außendienste für Onkologie und Klinik selbst betreiben, den Bereich der medizinischen Grundversorgung würden externe Dienstleister abdecken. Laut Greshake wird es betriebsbedingte Kündigungen geben.