Die Männer erforschen die Reste einer Siedlung im Tangstedter Forst. Das Archäologische Landesamt hat die Genehmigung für das ehrgeizige Projekt erteilt

Tangstedt/Rellingen. Bei ungeübten Betrachtern würden ein paar Steine auf dem Waldboden im Tangstedter Forst wohl keine Beachtung finden. Doch für Peter Pries und seine Freunde war die Entdeckung Anlass genug, der Sache auf den Grund zu gehen. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Im Laufe der vergangenen Monate legte Pries mit seinen Helfern ein ganzes Steinfeld frei. Es handelt sich um den nördlichen Teil eines Burgwalls, der im frühen Mittelalter (achtes bis elftes Jahrhundert) zur Begrenzung einer auch als Burghorst bezeichneten Siedlung gehörte.

„Das sind Katzenköpfe”, sagt der Rellinger Pensionär. „Die Feldsteine wurden von den Bewohnern der Burg als Befestigung einer umlaufenden Wall- und Grabenanlage gesetzt.” Pries weiß, wovon er redet. Denn der frühere Post-Manager hat sein Hobby, die Altertumsforschung, in den Mittelpunkt einer akademischen Ausbildung gestellt. Nach zwölf Semestern schloss er 2012 sein Studium der Vor- und Frühgeschichte an der Hamburger Uni im Alter von 72 Jahren mit der Note „gut” ab.

Zweimal jährlich kommen Archäologiestudenten aus dem ersten Semester in den Tangstedter Forst, um dort praktische Erfahrungen beim Ausgraben von Überbleibseln aus der Vorzeit zu machen. Die Uni unterstützte auch Kernbohrungen im Gelände, um die Struktur des Bodens zu erforschen.

Im Privatforst, knapp zwei Kilometer von der Tangstedter Wulfsmühle entfernt, ist neben Fachwissen vor allem Ausdauer Voraussetzung, sowie motorisches Feingefühl. Seit 2008 sind Pries und sein engster Mitarbeiter, der Hobby-Heimatkundler und frühere Lebensmittelchemiker Hartmut Boller, dabei, Überreste der auch als Wulfsburg bezeichneten, einst eingefriedeten Siedlung zutage zu fördern. Zum Stammpersonal gehören mittlerweile auch die Rentner und Hobby-Archäologen Joachim Schlick, Lothar Dobkowitz und Erhard Schimanski. Gemeinsames Kennzeichen der Freizeit-Archäologen: Keiner ist unter 70.

Mit einem bisschen buddeln ist es nicht getan. Schließlich sind die Senioren mit Genehmigung des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein tätig. Die Lizenz zum Graben muss jedes Jahr erneuert werden. Sämtliche Erkundungsfelder werden penibel aufgelistet und fotografiert, die Fundstellen mit Markierungspfosten gekennzeichnet. Auf diese Weise konnten die Altertumsforscher in den vergangenen Jahren den Verlauf des früheren Burgwalls rekonstruieren. „Es handelt sich um ein Oval mit einem Durchmesser von etwa 800 Metern”, beschreibt Grabungsleiter Pries die Form der Befestigungsanlage. Die geringe Höhe des Walls lässt darauf schließen, dass es weniger um einen Schutz gegen Angreifer, als um eine Begrenzung des Anwesens ging. Die Burg lag unweit des Flüsschens mit dem heutigen Namen Pinnau, das damals noch einen anderen Verlauf hatte, in einer sumpfigen Umgebung. Schon deshalb dürften Angreifer es schwer gehabt haben, vermutet Pries.

Die Ausdehnung des nördlichen Steinfelds umfasst etwa 30 Quadratmeter. Um die in Feinarbeit mit Spateln, Kellen, Handfegern und Bürsten freigelegten Steine zu schützen, wird die Grabungsstelle mit Holzlatten und Planen abgedeckt, wenn die Altertumsforscher nicht vor Ort sind. Ein Stück weiter im Burgwall-Oval sind die Rentner sogar auf Granitblöcke gestoßen, die von Menschenhand bearbeitet wurden. Dies sei an der Form zu erkennen, sagt Pries. Er vermutet, dass diese behauenen Steine als Fundament für ein Eingangstor zur Wulfsburg dienten. Vorstellbar sei, dass dort auch eine Art Wachturm in Fachwerkbauweise errichtet worden war, um die Umgebung besser überblicken zu können.

Bei den etwa 30 Bewohnern des Burghorstes dürfte es sich um Personal und Handwerkerfamilien gehandelt haben, die in Diensten eines Grafengeschlechts standen, aus dem im 15. Jahrhundert die Schauenburger Grafen hervorgingen. Zu ihnen gehörte auch Graf Otto III. von Holstein-Schauenburg, der 1470 bis 1474 das Pinneberger Schloss errichten ließ.

Mit dem vertrauten Bild von Burgen aus dem Rheinland oder aus Bayern ist die Tangstedter Siedlung allerdings nicht zu vergleichen. Die Tangstedter Burgbewohner lebten nach Erkenntnissen von Peter Pries in einfachen selbstgefertigten Häusern, deren Fachwerkstrukturen mit Weidengeflecht und Lehm ausgefüllt wurden. Im Laufe der Jahre haben die Archäologen an die tausend Fundstücke aus dem Boden geklaubt. Diese Artefakte bewahrt Pries in Tuppergefäßen und Konservendosen auf. Zu den Schätzen zählen neben zahlreichen Keramikscherben von Krügen, Vasen und anderen Behältern auch Schlackereste, die auf die Verwendung eines Schmelzofens zur Eisenverhüttung hindeuten. Auch verkohlte Holzbalken, die auf das Jahr 1720 datiert werden, fanden sich auf dem Burghorst-Gelände. Weitere Funde aus Überresten einer Feuerstelle stammen vermutlich sogar aus der mittleren Steinzeit (8000 bis 4000 vor Christus). Demnach war die Gegend in vielen Epochen der menschlichen Geschichte eine gute Wohnlage.

Der Rellinger ist dankbar, wenn sich weitere Hobby-Archäologen dem Team anschließen. „Wir suchen noch einen Vermessungsfachmann“, sagt Pries. Außerdem sind Helfer aus Handwerksberufen willkommen. Eine Kontaktaufnahme mit Peter Pries ist unter Telefon 0160/8444758 möglich.

Am Montag, 6. Oktober, hält Peter Pries im Rellinger Turnerheim, Hohle Straße 14, um 19 Uhr einen Vortrag über die Ausgrabung. Der Eintritt ist frei.