Antonio Fraga aus Bönningstedt ist zum sechsten Mal drei Wochen lang die 750 Kilometer von Pamplona nach Santiago de Compostela gelaufen

Bönningstedt/Santiago de Compostela. Einmal im Jahr besucht Antonio Fraga seine alte Heimat in Galizien. Dann begibt sich der 80 Jahre alte gelernte Werkzeugmacher aus Bönningstedt auf Pilgertour auf den berühmten Jakobsweg. Ende August, nur eine Woche nach seinem 80. Geburtstag, ist Fraga zum sechsten Mal zu Fuß vom nordspanischen Pamplona nach Santiago de Compostela aufgebrochen, wo der heilige Apostel Jakobus in der Kathedrale begraben sein soll.

22 Tage hat Antonio Fraga für diesen 750 Kilometer langen Fußmarsch über Stock und Stein und 20-prozentige Auf- und Abstiege gebraucht. 2005, bei seiner ersten Pilgertour, seien es noch 27 Tage gewesen, erzählt der Rentner, der für sein Leben gerne läuft und Rad fährt und darüber akribisch Buch führt.

Voriges Jahr radelte er 1710 Kilometer mit dem Rad und lief 1792 Kilometer zu Fuß, im Jahr davor waren es 2111 Kilometer auf dem Drahtesel und 1287 Kilometer auf Schusters Rappen. „Mein Mann geht zu Fuß von Bönning-stedt zum Hamburger Flughafen, nur um sich die spanische Zeitung El Pais zu kaufen“, erzählt seine Frau Ursula Fraga. Auch das Herold-Center in Norderstedt oder Freunde besuche er zu Fuß, selbst bei eisiger Kälte, während sie mit dem Auto hinterher fährt.

So ist es wohl eher die Liebe und Leidenschaft zum Laufen als der Glaube, die ihn an der Pilgertour über die nordspanische Hochebene reizt. Mit 70 Jahren wollte sich der gebürtige Spanier, der seit 51 Jahren mit seiner Frau in Bönningstedt lebt, beweisen, dass er ohne weiteres ein paar Wochen lang jeden Tag zwischen 30 und 40 Kilometer wandern kann. Er besorgte sich gutes Schuhwerk und teure Strümpfe und marschierte los. Dazu gab es einen Pilgerpass und eine Beschreibung all der Herbergen, wo die Pilger alle drei Kilometer entlang des Weges für fünf bis zehn Euro mit ihren Weggefährten in großen Schlafräumen Rast machen und übernachten können.

„Auf den Pilgertoren erlebt man einiges, was man sonst nicht erleben würde. Du triffst überall freundliche Menschen. Die Gemeinschaft unter den Pilgern ist hervorragend“, erzählt Antonio Fraga. So konnte er diesmal einer jungen Pilgerin mit Salbe und Verband gegen ihre Fußschmerzen helfen. Einer älteren Spanierin zeigte er, wo sie sich mit einem kräftigen Frühstück für die bevorstehenden Strapazen stärken konnte. Mit einem Katalanen hat er sich im Laufe der Jahre so sehr angefreundet, dass sie sich jetzt stets irgendwo auf dem Weg, spätestens an der Kathedrale, treffen. Und eine Nonne habe ihn dieses Mal überschwänglich geküsst, als sie erfuhr, dass er schon stolze 80 Jahre alt ist. „Da muss ich wohl aufpassen“, kommentiert Ehefrau Ursula die liebevolle Begegnung schmunzelnd. Dabei verlief für den lauffreudigen Rentner das Pilgern nicht immer problemlos. Vor zwei Jahren musste er nach 600 Kilometern Fußmarsch aufgeben. Das Schienbein hatte sich entzündet. Daraufhin bot ihm seine Tochter Isabell an, das nächste Mal mitzukommen. Und so lief sie vergangenes Jahr mit ihrem Vater die letzten 150 Kilometer nach Santiago de Compostela mit.

Anfangs habe er seinen Rucksack schwer beladen, erzählt Fraga. Inzwischen weiß er, dass er nur das Nötigste braucht und bei jeder Rast seine Sachen selber waschen kann. Mit einer Last von nur 7,5 Kilogramm ließen sich die 30 bis 40 Kilometer langen Tagesmärsche viel leichter bewältigen. Schummeln gilt für den Pilger nicht. Noch nie sei er eine Strecke mit Rad, Bus oder Bahn gefahren, wie dies andere Pilger täten. Die habe er manchmal völlig fertig hinter sich gelassen und überraschenderweise dann doch am Ziel getroffen.

Der Jakobsweg erfreut sich bei vielen Katholiken nicht erst seit Hape Kerkelings Selbsterfahrungs-Trip „Ich bin dann mal weg“ wachsender Beliebtheit. In den 70er-Jahren waren es nur ein paar Hundert Menschen, die sich auf diese Pilgertour wagten. Heute laufen bis zu 300.000 Pilger im Jahr die Strecke zwischen Pamplona und Santiago de Compostela.

Ob sich Antonio Fraga noch ein weiteres Mal auf den Pilgermarsch begibt, weiß er selber noch nicht. „Man merkt doch, dass es immer anstrengender wird.“ Seine Frau ist sich sicher, dass es jetzt damit vorbei ist. Sie hat sogar mit ihrer Schwester gewettet, dass er sich nicht mehr auf den Jakobsweg aufmacht, bis er 90 Jahre alt ist. Nun freut sie sich, dass sich ihr Mann wieder den Drei-Wochen-Bart abrasiert, den er sich jedes Mal auf der Pilgertour stehenlässt.