Extremläufer Uwe Schinz aus Heist startet beim Goldsteig Ultra Race. 661 Kilometer und 19.000 Höhenmeter in acht Tagen

Heist. Unzählige Päckchen liegen auf dem Tisch, dazwischen ein winziger Schlafsack, ein GPS-Gerät. Klamotten stapeln sich auf der Fensterbank – Reisegepäck. Doch Uwe Schinz, in dessen Haus all diese Dinge liegen, fährt nicht an den Ballermann, sondern nach Marktredwitz im Oberpfälzer Wald. Dort wird er am Sonnabend, 27. September, beim härtesten Ultralauf Europas starten, dem Goldsteig Ultra Race. 661 Kilometer und 19.000 Höhenmeter gilt es in 192 Stunden zu überwinden.

Im Alter von 49 Jahren lief Uwe Schinz seinen ersten Marathon in Köln

Uwe Schinz steckt mitten in den Vorbereitungen zu seinem längsten und härtesten Lauf. Den ersten absolvierte er vor etwa 14 Jahren. Nach jahrzehntelanger ärztlicher Behandlung und zwei Bandscheibenvorfällen fing er während der Kur beinahe zufällig mit dem Laufen an. „Meinem Rücken ging es danach wirklich besser. Der Arzt hat mir dann eine Laufschule verordnet und gesagt, ich solle laufen“, sagt Uwe Schinz. Er blieb dabei, wurde gesund und lief noch im selben Jahr seinen ersten Marathon – mit 49 Jahren. Das war 2002. Seitdem war Schinz schon überall. Im Dezember feiert er seinen 63. Geburtstag.

Er lief den Triathlon in Hamburg, Marathons in New York, Honolulu, Dars, Malta, Luzern oder auf Helgoland. Doch seine Highlights sind die Ultraläufe. Rennen, die weit über die Marathondistanz hinausgehen. 60, 70, 100 oder gar 250 Kilometer lief er schon, durch den Grand Canyon, von Deutschland nach Österreich über die Alpen, oder den 250 Kilometer langen Buthan in Asien in 2500 bis 3700 Kilometern Höhe. „Es ist vor allem eine mentale Herausforderung. Man muss seinen inneren Schweinehund überwinden, über die eigenen Grenzen gehen. Das macht den Reiz aus“, sagt Schinz. „Ich komme an Orte, die mit dem Rad oder dem Auto nicht zu erreichen sind. Orte, wo die wenigsten Menschen hinkommen.“

Neue Eindrücke, einzigartige Landschaften, jeder Lauf hat etwas ganz Besonderes. „Höhepunkte waren zum Beispiel die 900 Meter hohen Dünen beim Marathon des Sables. Da ging es 250 Kilometer durch die tunesische Wüste. Die 100 Kilometer durch die Sahara waren auch toll. Oder der Marathon in Sibirien über den zugefrorenen Baikalsee, bei dem in der Mitte das Eis riss. Wir mussten über ein Luftkissenboot auf die andere Seite des Spalts klettern. Es ist ein irres Gefühl, wenn unter dir nur Wasser ist und das Eis ständig knackt.“

Auch die Menschen, die er am Wegesrand trifft, bleiben ihm in Erinnerung. In Asien registrierte er die extreme Armut. „Da lernt man, das Leben zu genießen“, erklärt der 62-Jährige. Bei einem Ultralauf sei er auf sich allein gestellt, werde immer wieder auf die Grundwerte zurückgeholt. „Dabei kann ich abschalten“, sagt der Extremsportler. „Ich nehme mir die Zeit, auf meinen Läufen etwa 500 Fotos zu machen. Die zeige ich dann bei Dia-Vorträgen.“ Mittlerweile kommt es für ihn nicht so sehr auf die Platzierung an, als darauf durchzukommen. „Es muss schon was richtig Hartes passieren, damit ich aussteige.“

Uwe Schinz läuft nicht nur für sich selbst, er läuft für schwerkranke Kinder. Wie schon im vergangenen Jahr beim „Grand to Grand“ im Grand Canyon will er auch beim Goldsteig Ultra Geld für „Appen musiziert“ sammeln. „Die Spenden motivieren mich und unterstützen dazu noch eine gute Sache.“ Deshalb freue er sich über jede Spende.

„Natürlich will ich die ganze Strecke schaffen. Ich kann es mir noch nicht so richtig vorstellen, aber ich habe einen starken Kopf und einen Kollegen, mit dem ich laufe. Wir pushen uns gegenseitig. Ich möchte es unbedingt schaffen“, sagt Uwe Schinz. Die Augen über dem gezwirbelten Schnäuzer leuchten. Schaffen kann er es nur, wenn er verletzungsfrei durchkommt. „Gerade querfeldein ist das Risiko zu stolpern sehr groß.“ Doch der Extremläufer aus Heist ist zuversichtlich, die ganzen 661 Kilometer zu schaffen. „Ich bin in diesem Jahr den Buthan gelaufen, kurz darauf einen Marathon und habe vor acht Wochen den Ironman in Glücksburg geschafft. Deshalb habe ich vor dem Goldsteig Ultra nur die Kondition trainiert.“

Das Goldsteig Ultra Race ist seine bisher größte Herausforderung

Nun gilt es, das Gepäck so zu sortieren, dass er nur das tragen muss, was er dringend braucht. Dreimal können die Teilnehmer unterwegs Gepäck lagern. „Das ist wichtig, man kann nicht alles mitschleppen.“ Flüssignahrung, Erste-Hilfe-Set, Magnesium, Salztabletten, Desinfektionsmittel, Aluminiumschlafsack und -decke, Kompass, GPS-Gerät, Batterien für die Stirnlampe, ein Handy sowie vitamin- und kalorienreiche Kost, dazu frische Laufkleidung – all das braucht er für den Ultralauf. Und natürlich Disziplin und Durchhaltevermögen. Denn der Goldsteig Ultra ist seine bisher größte Herausforderung. „Sollte ich es schaffen, wird es mein letzter Ultralauf sein. Ich werde nicht jünger und ich möchte noch lange Zeit laufen“, sagt Schinz. Sein Ziel: „Mit 100 Jahren den letzten Marathon laufen.“

Auf der Internetseite www.extremläufer.de kann getippt werden, wie viele Kilometer Uwe Schinz schaffen wird. Pro Kilometer werden 50 Cent an „Appen musiziert“ gespendet. Wer am nächsten an den tatsächlich gelaufenen Kilometern dran ist, gewinnt ein Wochenende für zwei Personen in der Lüneburger Heide. Außerdem kann sein Lauf dort per GPS verfolgt werden.