Kunsttherapeutin Britta Hieby hilft Krebskranken, mit Kunst neue Kraft zu tanken. Werke von Patientinnen in Regio Klinikum Elmshorn ausgestellt

Elmshorn. Wie eine Fontäne ergießen sich die rosafarbenen Linien über die gesamte Fläche. Auf einem anderen Bild befindet sich im Zentrum vieler Kreise ein Herz. Über allem schwebt ein Engel. Die Bilder stammen von Frauen, die an Brustkrebs erkrankt sind. Die künstlerische Arbeit bietet ihnen die Chance, sich mit der Krankheit auseinanderzusetzen und das Unaussprechliche sichtbar werden zu lassen. Die Ausstellung der Kunsttherapiegruppe des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) ist bis Ende Oktober auf der Gynäkologischen Station des Regio Klinikums in Elmshorn zu sehen.

Fast 70.000 Frauen erkranken jedes Jahr neu an Brustkrebs. „Die Diagnose ist ein Schock“, sagt Britta Hieby, die die Gruppe anleitet. Die Kunsttherapeutin weiß, wovon sie spricht. Vor fast 20 Jahren wurde auch in ihrer Brust ein Tumor gefunden. Der Arzt ließ wenig Mitgefühl erkennen. Die junge Mutter fühlt sich wie betäubt. Ihre Tochter ist damals erst anderthalb Jahre alt. Zeit zum Grübeln bleibt zunächst nicht. Schon zwei Tage nach der Diagnose wird Hieby operiert. Die Brust kann erhalten werden. Doch das Trauma wirkt nach. „Ich suchte damals eine Psychoonkologin“, sagt sie. Doch in Hamburg und Umgebung gab es damals lediglich eine. Die Praxis war hoffnungslos überfüllt.

Mittlerweile hat sich das Angebot verbessert. So bieten beispielsweise die Brustzentren der Regio Kliniken in Pinneberg und Elmshorn erkrankten Frauen auch eine psychoonkologische Betreuung während der Behandlung an. „Wir Ärzte sind sehr bemüht, Brustkrebs nicht rein medizinisch zu behandeln, sondern die Frau als ganzen Menschen zu sehen“, sagt Dr. Christian Wilke, Chefarzt der Gynäkologie und des Brustzentrums in Elmshorn. Er gehört der Initiative für Brustgesundheit an, die sich vor 14 Jahren in Elmshorn gegründet hat und seither Jahr für Jahr ein umfangreiches Programm auf die Beine stellt (siehe Kasten).

2003 kehrt der Krebs zurück. Hieby ist mittlerweile dreifache Mutter, der Jüngste gerade zwei Jahre alt. Dieses Mal wird die Brust abgenommen. Ein Aufbau kommt nicht in Frage. Hieby fällt in ein emotionales Tief. „Ich hatte das Gefühl, ich muss die anderen trösten“, sagt die 52-Jährige. Dabei hätte sie dringend Unterstützung gebraucht. Auch vom Ehemann bekommt sie nicht die Hilfe, die sie sich wünscht. In einem Moment der Kraft beschließt sie, etwas zu ändern, um sich selbst zu retten. Noch während der Chemotherapie trennt sie sich von ihm. „Ich habe mich nicht wahrgenommen gefühlt“, sagt sie.

Die gelernte Grafikdesignerin schließt sich einer Kunsttherapiegruppe an und merkt, wie sehr es ihr hilft, wenn sie ihre Gefühle in Form und Farbe ausdrücken und sich mit anderen Teilnehmern über ihre Erfahrungen austauschen kann. Zwei Jahre lang besucht sie den Kursus an der Volkshochschule Hamburg-Othmarschen.

Danach will sie sich auch beruflich verändern und lässt sich zwischen 2008 und 2012 selbst zur Kunsttherapeutin ausbilden. Unterstützt wird ihr Kursus vom SkF in Elmshorn. „Die Bezeichnung ist etwas irreführend, weil es nicht um Kunst geht, sondern darum kreativ zu sein mit Ton, Farben, Stiften oder Stoffen“, sagt sie.

Ein mediativer Prozess, bei dem die Frauen über sich nachdenken und ihre Gefühle in Bilder, Statuen oder Gebasteltes packen, die sie in Worten vielleicht nicht ausdrücken können. Am Ende der Stunde stellt Hieby den Frauen Fragen zu den Werken. Viele Teilnehmerinnen sind froh, wenn sie reden können. Oft ziehen sich Freunde, Familie und Bekannte zurück, auch aus Angst und Unsicherheit.

Auch Hiebys Kinder verschlossen sich. Während die mittlerweile 20 Jahre alte Tochter beginnt, ihrer Mutter Fragen zur Krankheit zu stellen, schweigen die Söhne zu dem Thema und machen ihre Ängste mit sich selbst aus. „Ich lasse sie“, sagt Hieby, die immer noch gegen den Krebs kämpft. Ihr ist bewusst, dass die Angehörigen mitleiden und therapeutische Hilfe bräuchten. „Deswegen würde ich auch gern einen Kursus anbieten, der sich nicht nur an die Frauen richtet, sondern auch an deren Partner“, sagt Hieby. Bisher scheiterte dies am Interesse der Männer.

Weitere Infos zur Kunsttherapie unter 04121/9079385 oder unter www.kunsttherapie-hieby.de im Internet.