Lukas M., der Lisa Marie aus Tornesch erwürgte, blieb zum Prozessauftakt die Frage nach dem Warum schuldig

Tornesch/Itzehoe. Die Kapuzen ihrer Jacke über den Kopf gezogen, den Blick gesenkt, so hasteten Claudia und Kai M. am Donnerstagvormittag über den Flur des Landgerichts Itzehoe. Die Eltern von Lukas M. wollten möglichst unerkannt in den Gerichtssaal gelangen, wo sich ihr Sohn wegen Mordes verantworten musste. Am ersten Prozesstag gestand der 16-Jährige wie schon bei der Polizei, am 19. März die 18 Jahre alte Lisa Marie in Tornesch getötet zu haben. Die Frage nach dem Warum ließ Lukas M. unbeantwortet.

Genau darauf hatten Ilona und Nico B. gehofft. Die Eltern des Opfers haben sich dem Verfahren als Nebenkläger angeschlossen. Sie verdeckten ihr Gesicht nicht, als sie unter dem Blitzlichtgewitter der Fotografen zum Prozess erschienen. „Sie sind erleichtert, dass fast auf den Tag genau sechs Monate nach der Tat das Verfahren beginnt“, sagt Thomas Erdmann, der als Anwalt die Rechte der Nebenkläger vertritt. Es sei für die Eltern wichtig, dem Täter gegenüber zu treten und von ihm zu erfahren, was am 19. März passiert sei. Erdmann: „Das bringt ihnen ihre Tochter nicht zurück. Für die Verarbeitung ist es aber immens wichtig.“

Ilona und Nico B. werden von der Opferschutzorganisation Weißer Ring betreut. Auch psychologische Hilfe haben sie bereits in Anspruch genommen. „Niemand kann den Verlust, den sie ertragen müssen, ermessen. Sie werden diesen Schmerz ein Leben lang mit sich herumtragen“, sagt Erdmann, der für die Eltern spricht. Selbst mit den Medien reden wollen sie nicht.

Zum Auftakt des Prozesses, für den die 3. Jugendkammer vier Verhandlungstage angesetzt hat, war ein riesiges Medienaufgebot zum Landgericht gekommen. Alleine drei große Fernsehanstalten hatten ihre Übertragungswagen vor dem Gebäude aufgebaut. Viel zu berichten gab es jedoch nicht: Der komplette Prozess inklusive Anklageverlesung und Verkündung des Urteils läuft unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Das Jugendstrafrecht schreibt vor, dass Verfahren gegen jugendliche Täter nicht öffentlich stattfinden müssen“, erläutert Julia Gärtner. Die Sprecherin des Landgerichts war eine begehrte Interviewpartnerin, weil fast alle der Verfahrensbeteiligten nicht vor den Kameras und Mikrofonen Rede und Antwort stehen wollten.

Das Gericht hat 17 Zeugen und drei Sachverständige benannt. Acht Zeugen wurden am ersten Verhandlungstag befragt, darunter die Eltern von Lisa Marie, drei Lehrerinnen der Klaus-Groth-Schule in Tornesch, die Lukas M. besuchte, zwei Schüler der Einrichtung und ein Feuerwehrmann aus Tornesch. Mit Dr. Jan Sperhake, Oberarzt am Institut für Rechtsmedizin des Universitätsklinikums Eppendorf, kam auch einer der Sachverständigen zu Wort. Er erklärte den Verfahrensbeteiligten, wie Lisa Marie zu Tode kam.

Staatsanwältin Maxi Wantzen teilte in einer Prozesspause mit, dass Lukas M. sein Geständnis wiederholt hat. Demnach hat er Lisa Marie am 19. März unter dem Vorwand, mit ihr ein Gespräch führen zu wollen, in sein Tornescher Elternhaus gelockt. Dort schlich er sich an sein wehrloses Opfer, nahm es in den Schwitzkasten und drückte zu, bis die 18-Jährige ohnmächtig wurde. Dann legte er die Hände um den Hals von Lisa Marie und erwürgte sie. Die Leiche entsorgte Lukas M. auf einem Feld hinter seinem Elternhaus, wo sie nach einer tagelangen Suchaktion am 24. März entdeckt wurde.

Täter und Opfer kannten sich über die Feuerwehr. Allerdings nur flüchtig. Das Zusammentreffen, bei dem Lisa Marie starb, war offenbar die erste Begegnung unter vier Augen. Nach der Tat hatte Lukas M. Polizei und Medien gegenüber den besorgten Kumpel gemimt und versucht, den Verdacht auf den 18-jährigen Freund des Opfers zu lenken. Dabei verwickelte sich der 16-Jährige jedoch immer stärker in Widersprüche. Nach seiner Verhaftung wurden auf dem Computer von Lukas M. Videos entdeckt, bei denen Frauen gewürgt werden. Bereits 2011 hatte der damals 13-Jährige eine Klassenkameradin auf gleiche Weise attackiert. Daraufhin kam Lukas M. in eine andere Klasse und in psychologische Behandlung.

Seit seiner Festnahme befindet sich der Tornescher, der drei Tage vor der Tat seinen 16. Geburtstag feierte, in der Justizvollzugsanstalt Schleswig. Für seine psychiatrische Begutachtung sind zwei Mediziner, darunter Professor Dr. Peer Briken vom Institut für Sexualforschung und Forensische Psychiatrie am UKE, zuständig. Sie waren bereits im Vorfeld zu dem Schluss gelangt, das Lukas M. schuldfähig ist. Die Anklage lautet auf Mord aus Heimtücke, die Höchststrafe liegt laut Jugendstrafrecht bei zehn Jahren. Das Urteil fällt frühestens am 15. Oktober.

Ob bis dahin die Frage nach dem Warum beantwortet ist, bleibt fraglich. „Lisas Maries Eltern hoffen auf Antworten. Ich denke, dass diese Erwartungen nicht vollständig erfüllt werden“, sagte Opferanwalt Erdmann nach dem ersten Verhandlungstag.