Inga Ramcke sucht nach Wegen, Kinder über die Natur zu bilden. Handpuppen und ein Nobelpreisträger helfen ihr dabei

Pinneberg/Appen/Norderstedt. Sporke hat den Kindern viel zu erzählen, sie hat schon viel erlebt – erst als Rennschnecke, dann als Reporterin. Auch der kleine Fritz hat ein bewegtes Leben hinter sich. Gegen 3000 Geschwister musste sich die Kaulquappe durchsetzen. Da macht man was mit. Und erst der Baum Bruno! Ein besseren Fachmann werden die Kinder nicht finden, wenn sie etwas über den Wald erfahren wollen. Aufmerksam sitzen die Jungen und Mädchen im Norderstedter Stadtpark in großer Runde und schauen nicht die Frau an, die spricht, sondern die kleinen Handpuppen, denen sie ihre Stimme leiht. Inga Ramcke lässt Fritz und Co. aus ihrem Leben erzählen. Für die Kinder ist klar: Wenn sich jemand mit der Natur auskennt, dann die Tiere.

„Die Handpuppen kommen gut an“, sagt die 34-Jährige, die beim Programm „Klasse im Grünen“ des Stadtparks bereits 150 Gruppen aus Kindergärten und Grundschulen über Fauna, Flora und Klima unterrichtet hat. Oder besser gesagt: Sporke, Fritz und der Rest der kuscheligen Bande haben das erledigt. Mit Erfolg, wie Inga Ramcke glaubt, die jetzt ihr Konzept wissenschaftlich erfassen will und eine Zusage der Universität Flensburg für eine Promotion in der Tasche hat.

Diese Zusage allein wäre für die Diplom-Volkswirtschaftlerin schon ein Knüller, doch es kommt für sie noch besser: Ihr Doktorvater Olav Hohmeyer gehört zu den herausragenden deutschen Wissenschaftlern, die sich mit einem Nobelpreis schmücken dürfen. Der Professor für Energie- und Ressourcenwirtschaft gehörte 2007 als einziger Deutscher dem UN-Klimarat an, der den Friedensnobelpreis erhielt. Die Promotion ist als Kooperationsprojekt Hohmeyers mit dem Leiter der Biologie-Didaktik, Professor Andreas Christian, geplant, der gleichzeitig der Vizepräsident der Forschung in der Flensburger Universität ist.

Der Titel von Inga Ramckes Promotion soll wissenschaftlich sperrig lauten: „Vermittlungsmöglichkeiten von Inhalten im Bereich Bildung für nachhaltige Entwicklung durch Handpuppen an Grundschüler“. Wie man Wege findet, Kinder über die Natur zu bilden, um sie auf lange Sicht an ein umweltschonendes Leben heranzuführen – dieses Thema war auch für den Professor aus Flensburg neu. „Ich stieß mit meiner Idee in eine Lücke, von der ich gar nichts wusste“, sagt Inga Ramcke.

Drei Jahre wird sie an dem Projekt arbeiten, mit Sichtung der Literatur hat Inga Ramcke schon begonnen. Das einzige Problem: Die Finanzierung ist nicht gesichert. Die 34-Jährige sucht jetzt Behörden oder Firmen, die ihre Arbeit unterstützen. Noch ist sie nicht fündig geworden. Etwa 1500 Euro pro Monat wären notwendig.

Dass sie eines Tages als Doktorandin bei einem Nobelpreisträger arbeiten würde, hat sie nicht einmal zu träumen gewagt, als sie nach dem Abitur in Pinneberg – sie wuchs in Appen auf – und einer Lehre als Verlagskauffrau ihr Studium für Volkswirtschaftslehre begann. Den geraden Weg zu gehen, die strategische Planung einer Karriere – das passte schon damals nicht zu ihr. Inga Ramcke war in Kanada unterwegs, dann arbeitete sie ein Jahr in Singapur. „Mir wird schnell langweilig“, sagt sie.

2011 kam Inga Ramcke in die Stadt, die damals gerade bemüht war, ihr Image als Metropole der Langeweile loszuwerden: Norderstedt. Die Landesgartenschau stand auf dem Programm. Nicht nur Blütenmeere gehörten dazu, sondern auch die Umweltbildung. Sie fand dort einen neuen Job. Nach dem Ende der Gartenschau entwickelte sich daraus die „Klasse im Grünen“.

Dort kam Inga Ramcke die Idee mit den Handpuppen, der sie jetzt wissenschaftlich auf den Grund gehen will. Die Feuchtgebiete des Stadtparks hatten sie inspiriert. „Vielleicht kann man was mit Fröschen und Kröten machen“, fragte sie sich. Bei einem Handpuppenhersteller stieß sie im Internet auf naturgetreue Nachbildungen des Getiers. Fritz kam in einem Paket zu ihr nach Hause. Später folgten die anderen. Fünf Geschichte mit sechs Puppen gehören schon zum Repertoire. „Das sind meine Experten“, sagt sie. „Sie interagieren – das ist der Schlüssel zum Lernen.“

Der Wunsch zu promovieren, sei immer da gewesen, sagt Inga Ramcke. „Einmal möchte ich ein Thema umfassend beleuchten“, sagt sie. „Und danach möchte ich mein Wissen teilen.“ Ein erster Versuch war fehlgeschlagen, als sie es mit einer Fernpromotion in Großbritannien versuchte, jedoch wegen des mangelnden Kontaktes mit dem Professor das Projekt abbrach. Zwei Anrufe in Flensburg im Januar dieses Jahres führten zum Erfolg. Der vielbeschäftigte Nobelpreisträger war direkt am Telefon und sagte zu.