Wedeler setzen mit interkulturellem Fest und Kunstprojekt Engel der Kulturen ein Friedenszeichen am 11. September

Wedel. Wer auf dem Weg zum Bahnhof am Rathaus vorbeikommt, der sieht ihn: den Engel der Kulturen. Denn Wedel ist seit kurzem um ein Kunstwerk reicher. Die blau leuchtende Platte, die in den Boden des Rathausplatzes eingelassen wurde, mit dem schwarzen Kreis aus einem Kreuz, einem Stern und einem Halbmond, symbolisiert das Miteinander der Religionen. Zusammen ergeben sie die Silhouette eines Engels. Was es bedeuten kann, wenn die Glaubensrichtungen an einem Strang ziehen, bewiesen die Wedeler eindrücklich am Donnerstag.

Bewusst hatten sich die Organisatoren vom Arbeitskreis der Stadt gegen Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit dafür den 11. September ausgesucht. An dem Tag, an dem vor 13 Jahren die Terroranschläge in New York verübt wurden, setzten die Wedeler ihr Friedenszeichen. Zum einen holten sie das Kunstwerk „Engel der Kulturen“ in die Stadt, so wie es etwa 60 andere Städte vor Wedel getan haben. Allerdings ist Wedel die erste Stadt im Kreis Pinneberg, in dem der Engel des Künstlerpaares Gregor Merten und Carmen Dietrich zu finden ist. Weitere Städte im Kreis wollen sich der Aktion anschließen.

Zum anderen feierten die Wedeler ihren Engel mit einem großen Umzug durch die Stadt und einem interkulturellen Fest auf dem Rathausplatz. Tausende kamen so mit dem Engel in Berührung, sogar die Jüngsten und das von Beginn an. Denn die Karawane, die ein riesiges kiloschweres Abbild des Engels durch die Stadt rollte, startete morgens in der größten Grundschule Wedels. Fast die komplette Albert-Schweitzer-Schule war auf den Beinen. Die Grundschüler begrüßten die Gäste unter anderem in 20 verschiedenen Sprachen und waren auch später auf dem Rathausplatz zahlreich vertreten. Von der Grundschule aus zog die Karawane weiter, hinterließ auf ihrem Weg unter anderem am Stadtteilzentrum „mittendrin“, am Graf-Luckner-Haus, der katholischen Kirche und der Aksa-Moschee Spuren – manchmal in Form eines Kreideengels, manchmal als Sandabdruck.

Doch nicht nur das Symbol verband jung und alt, Christen mit Muslimen, sondern auch die Aktion zur feierlichen Verlegung des Kunstwerkes trug zu einem intensiveren Austausch der unterschiedlichen Konfessionen bei. Denn sie alle waren daran beteiligt. So öffnete die Wedeler Aksa-Moschee ihre Türen für Besucher, und die verschiedenen Glaubensgemeinschaften zelebrierten gemeinsam eine Andacht in der katholischen Kirche, bei der fünf Kerzen für die fünf Kontinente entzündet und Texte aus den jeweiligen Schriften vorgetragen wurden. Zusammen mit Schirmherr und Bürgermeister Niels Schmidt verlegten sie auch das bleibende Symbol auf dem Rathausplatz und schweißten aus einem Metallblock einen kleinen Engel. Der bildet mit den Engeln, die bereits in anderen Städten gefertigt wurden und die noch dazukommen, eine Säule, die in Jerusalem aufgestellt werden soll. Wenn es nach den Künstlern geht, dann soll das 2017 der Fall sein.

„Wir haben einen Traum vom Frieden der Kulturen und der Religionen“, fasste es Pastorin Susanne Huchzermeier-Bock von der Immanuel-Gemeinde aus Wedel wohl stellvertretend für alle Anwesenden beim Festakt vor dem Rathaus so passend zusammen. Wie nötig dieser Friedensgedanke gerade in diesen Tagen ist, darauf machte dann Wolfgang Seibert von der Jüdischen Gemeinde in Pinneberg aufmerksam. „Wir haben es mit einer zunehmenden Ausländerfeindlichkeit zu tun“, warnte er. Seine Gemeinde sah sich erst kürzlich wieder einem Angriff ausgesetzt. In der Nacht von Sonntag auf Montag verschwand die Flagge der Gemeinde. Sie wurde laut Seibert abgerissen und gestohlen. Dafür fanden sich laut Seibert in unmittelbarer Nähe zur Gemeinde zwölf Aufkleber mit Nazisymbolen und der Aufschrift „Freiheit für Palästina“. Der Staatsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen.

„In der Geschichte des Islams gibt es viele schöne Beispiele, in denen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen friedlich zusammenlebten. Also warum sollten und könnten wir diesen Beispielen nicht folgen?“, fragte Mustafa Piri, Vorstandsvorsitzender der Aksa-Moschee. Sein Appell: „Das Wort Islam bedeutet Frieden. Lasst uns in diesem Sinne in Frieden glücklich zusammen leben.“