Ältester FDP-Ortsverband in Schleswig-Holstein besteht seit 60 Jahren. Landeschef Garg kam zur Geburtstagsfeier

Appen. Wer es gut mit der FDP meint, dürfte die Aussage der Inschrift sofort unterschreiben. „Gott beschütze dieses Haus“, steht am Appener Bürgerhaus geschrieben, „und die hier gehen ein und aus“. Letztere sind an diesem Tag insbesondere zahlreiche Mitglieder der Liberalen, und die können in dieser für ihre Partei schwierigen Zeit Beistand gut gebrauchen.

Die Laune lassen sie sich in Appen durch die jüngsten Wahlpleiten, wie der vor Ende August in Sachsen, wo die FDP gerade einmal 3,8 Prozent der Stimmen erreichte, trotzdem nicht verderben. Schließlich gibt es im Kreis Pinneberg noch etwas zu feiern. Der Ortsverband wird 60 Jahre alt, er ist damit der älteste in Schleswig-Holstein. Und mit einem Ergebnis von 27,2 Prozent bei der Kommunalwahl im Vorjahr bleibt Appen ähnlich wie Tangstedt oder Ellerbek weiter eine echte FDP-Hochburg. Die Frage ist nur, was aus diesen liberalen Leuchttürmen wird, sollte die Gesamtpartei die Wende nicht schaffen.

Jutta Kaufmann weiß, dass sie und ihre Mitstreiter mit Blick auf die große Politik nur wenig ausrichten können. „Wir leisten hier vor Ort gute Arbeit“, sagt die Ortsverbandsvorsitzende. Seit sechs Jahrzehnten sitzen Mitglieder der FDP im Appener Gemeinderat, prägten das Gesicht des Ortes entscheidend mit. „Besonders eingesetzt haben wir uns für die Schule, die Kinderbetreuung und den Sport“, sagt die 66-Jährige. „Ohne die FDP gäbe es unser Bürgerhaus, die Distelkamphalle und die Pausenhalle der Schule nicht. Darauf sind wir stolz.“ Dass ihre Partei bundesweit hingegen eine desaströse Entwicklung genommen hat, führt die gelernte Buchhändlerin auf „thematische Schmalspurpolitik“ und die „Persönlichkeiten in der Führung“ zurück.

Angesichts der aktuellen Situation passt es ins Bild, dass auch bei der Veranstaltung in Appen zumindest für einen Moment Ratlosigkeit herrscht. Die gebuchte Band erscheint nicht zum geplanten Zeitpunkt. Spielt die Musik längst woanders? Rechtzeitig vor Ort ist mit Heiner Garg ein Mitglied der aktuellen Führungsriege. Der Landesvorsitzende gibt offen zu, dass es vielen Mitgliedern aktuell schwer falle, sich zu ihrer eigenen Partei zu bekennen. Umso mehr sei das Engagement von Ortsverbänden wie dem in Appen hervorzuheben. Diplom-Volkswirt Garg ist seit 24 Jahren Parteimitglied. „Wer sich jetzt für die FDP engagiert, den zeichnet ein langer Atem aus. Die Menschen hier sind im Zweifel trotz der FDP gewählt worden. Sie stehen für Verlässlichkeit und Authentizität. Ich wünsche mir, dass die Leute in Zukunft wieder öfter jubeln können.“

Einer, der zu den Männer der ersten Stunde bei der FDP in Appen gehörte und miterlebte, wie der Liberale Theodor Heuss 1954 Bundespräsident wurde, ist Gerhard Pein. Der 90-Jährige führte über viele Jahre ein Lebensmittelgeschäft im Dorf. „Die Leute haben damals gesagt, du darfst nicht in die Politik. Das ist schädlich fürs Geschäft“, sagt er. Pein enagierte sich trotzdem. Dass er jetzt einen solchen Niedergang seiner Partei miterleben muss, stimmt ihn traurig. Er bescheinigt der FDP, gegen die allgemeine Politikverdrossenheit nicht genug entgegenzusetzen „Wenn etwas anders werden soll, muss was gemacht werden.“

Was genau, versucht die Parteispitze noch herauszufinden. Aus Sicht von Garg sind es jedenfalls keine neuen Farben im Logo, kein neuer Name oder 20 neue Themen, die zum Erfolg führen werden. Für Schleswig-Holstein setzt der 48-Jährige vor allem auf die Bereiche Bildungspolitik und Infrastruktur, wobei er hier insbesondere den Zustand vieler Krankenhäuser im Fokus hat. Grundsätzlich müssten gerade kleine Parteien innovativer und kreativer sein, auch mal gegen den Mainstream Entscheidungen propagieren und nicht nur gesellschaftlichen Entwicklungen hinterherlaufen. „Wir stehen uns manchmal selbst im Weg“, sagt Garg. Es gebe in der FDP noch eine ganze Menge aufzuräumen. „Ich bin nach wie vor der Meinung, dass wir es selbst in der Hand haben, wie erfolgreich wir sind.“ Doch die Zeit läuft gegen die Liberalen: Bereits am kommenden Wochenende stehe Landtagswahlen in Brandenburg und Thüringen an, am 15. Februar dann die Bürgerschaftswahl in Hamburg.

In Schleswig-Holstein wird erst 2017 der Landtag neu gewählt, Kommunalwahlen stehen dann im Jahr darauf an. Ob dann in Appen und anderswo noch an die starken FDP-Ergebnisse der Vergangenheit angeknüpft werden kann, steht in den Sternen. „Hier vor Ort hängt vieles an den Personen. Dennoch sind wir natürlich abhängig von Entwicklung der FDP insgesamt“, sagt Jutta Kaufmann. „Wir verfolgen daher mit Sorgen, was da passiert.“

Am Engagement der Mitglieder von Ortsverbändem wie dem in Appen wird es jedenfalls nicht scheitern. „Wir haben allen Stürmen getrotzt, und die sind bei der FDP besonders heftig – bis zu Orkanstärke 10“, sagt Kaufmann. „Wir haben den Willen, hier als FDP weiterzuarbeiten.“ Für sie selbst gilt das noch für die laufende Legislaturperiode. Anschließend möchte sie sich aus Altersgründen zurückziehen und anderen Interessen wie dem Lesen widmen. Und was die politische Landschaft vor Ort angeht, hat sie für den Fall, dass die FDP die Kehrtwende tatsächlich nicht schaffen sollte, ebenfalls eine Zukunftsperspektive: „Ich glaube, dass dann vieles auf liberale Wählergemeinschaften hinauslaufen würde.“