Toiletten von Evac Train aus Wedel fahren im Zug durch die sibirische Pampa, Tibets Höhen und Chinas Metropolen

Das ist Zukunftsmusik“, sagt Sven Mascow, Leiter der Abteilung Sales und Marketing bei Evac Train. Ehrlich gesagt, stinkt diese Zukunft dem unbedarften Besucher etwas. Dabei wird in der Forschungsabteilung des Wedeler Unternehmens derzeit an einer ganz sauberen Lösung gearbeitet, allerdings unter realen Bedingungen. Sprich: mit Fäkalien. Der Marktführer für Toilettensysteme in Zügen sucht nach Möglichkeiten, das Abwasser wieder komplett aufzubereiten. „Praktisch ist das schon möglich, aber noch ist es nicht finanzierbar“, erklärt Mascow. In zehn Jahren könnte das schon anders aussehen und möglicherweise trägt Evac Train mit seiner derzeitigen Arbeit dazu bei.

In der Wedeler Entwicklungsschmiede für Toilettensysteme, die perfekt auf die Bedürfnisse der Zugbauer und Passagiere abgestimmt sind, tüfteln die Mitarbeiter ständig an Verbesserungen. Der neuste Clou: Durch die Nutzung des Wassers zum Waschen der Hände konnte der Bedarf pro Spülung auf 0,2 Liter halbiert werden. Zum Vergleich: Eine normale Haustoilette benötigt zwischen vier bis sieben Liter pro Spülung. „Das ist die wassersparenste Zugtoilette der Welt“, sagt Mascow. Ein Prototyp ist bereits in Japan mit der Magnetschwebebahn unterwegs. Von 2015 an soll das System in Serie gehen.

Wenn es um das kleine Geschäft geht, dann ist Evac Train groß im Geschäft. Insgesamt installierte Evac Train bislang 80.000 Vakuum-Toiletten in mehr als 40 Ländern. Ob in der deutschen Regionalbahn, dem französischen TGV oder im neuen britischen Intercity Train: Die Wedeler WCs fahren auf den Schienen mit. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz 95 Millionen Euro.

200 Mitarbeiter zählt Evac Train mit Sitz neben der Wedeler Fachhochschule an der Feldstraße. In den vergangenen zehn Jahren schossen Umsatz und Mitarbeiterzahl nach oben. So arbeiteten 2004 knapp 40 Mitarbeiter in Wedel, der Umsatz lag bei 17 Millionen Euro. Motor für die gut laufenden Geschäfte ist China. Das Land baut verstärkt seine Infrastruktur aus, schafft bis zu 300 Hochgeschwindigkeitszüge pro Jahr an. „Das entspricht in etwa dem Auftragsvolumen der vergangenen 25 Jahre in ganz Europa“, erläutert Mascow, der auch Geschäftsführer der Zweigstelle in Shanghai ist.

Evac Train ist aus dem 1992 in Wedel gegründeten Unternehmen Sanivac GmbH hervorgegangen und gehört heute zur Zodiac Aerospace Gruppe. Die französische Aktiengesellschaft hat allein in Europa 42 Standorte, zehn in Asien, acht in Afrika und 40 in Nordamerika. In Wedel werden die Vakuum-Toilettensysteme bis heute gefertigt und in die Welt verschifft. Pro Woche verlässt allein ein großer Schiffscontainer den Hamburger Hafen in Richtung China. Hinzu kommen die Lkw-Ladungen für den europäischen Markt und die zahlreichen Ersatzteile. In Wedel sitzt neben der Forschungs- auch die Serviceabteilung. Sie ist weltweit dafür verantwortlich, dass die WCs in den Zügen einwandfrei laufen. Egal, ob sie durch die Wüste Afrikas, die Höhen Tibets oder die sibirische Kälte Russlands fahren. Damit die Toiletten bis ins kleinste Bauteil Frost, Erdbeben und im Brandfall enormer Hitze trotzen, werden sie in Wedel getestet. Erst, wer diesen Stresstest in der Klimakammer übersteht, wird Teil des Toilettensystems und verbaut.

Das wichtigste Toilettenteil bekommen WC-Benutzer nie zu sehen. Denn die Technik versteckt sich hinter den Spiegeln und der Verkleidung im Zug. Kernstück der Hightech-Klos ist eine Steuereinheit. „Sie hat 100 Mal mehr Rechenleistung als der Rechner, mit dem die Crew der Apollo 11 zum Mond flog“, sagt Mascow. Der Mini-Rechner hat auch eine sehr wichtige Aufgabe. Er soll Fremdkörper selbstständig entfernen und so einen Toilettenausfall verhindern. „Das setzt eine gewisse Intelligenz voraus. Denn der Rechner muss Maßnahmen ergreifen und erkennen, ob sie wirken“, erläutert der Experte.

Wirken sie nicht, sperrt der Rechner die Toilettenkammer. Etwas, dass Nutzer, Zugbetreiber und Evac Train als Hersteller am liebsten ganz verhindern wollen. Ziel ist es deshalb, dass die Toilettensysteme auch anzeigen, was als nächstes gewartet werden muss, bevor es überhaupt kaputt gehen kann. Aber das ist noch Zukunftsmusik.