Der 18 Jahre alte Fahrschüler steht kurz vor der Prüfung. Mit seinem Lehrer Andreas Mehlhorn ist er noch einmal zu den schwierigsten Stellen in der Region gefahren

Pinneberg/Wedel. Aller Anfang ist schwer. Starten, Kupplung kommenlassen, der Motor säuft ab. Wieder starten, wieder Kupplung kommenlassen, wieder säuft der Motor ab. Mitten auf der Kreuzung bleibt der schwarze Fahrschulwagen liegen. Ungeduldige Verkehrsteilnehmer wirbeln hektisch mit ihren Fingern, pöbeln hinter ihrer Windschutzscheibe. Autofahren ist kein Vergnügen, zumindest in diesem Moment nicht.

Als Fahranfänger kennt Johannes Brank die Tücken des Straßenverkehrs. Der Abiturient aus Wedel sitzt hinter dem Steuer eines VW Tiguan, neben ihm hat sein Fahrlehrer Andreas Mehlhorn, Inhaber der gleichnamigen Fahrschule, Platz genommen. Der 59-Jährige will mit Johannes kurz vor dessen Prüfung noch einmal die kniffligsten Stellen in der Region abfahren. „Die ersten Stunden waren wirklich schwierig“, sagt der 18-Jährige. „Aber man muss sich immer daran erinnern, was man im Theorieunterricht gelernt hat und wie man dann reagieren muss.“

Wer sich im Verkehrsdschungel durchsetzen will, braucht Nerven, starke Nerven. Das Verkehrsnetz im Kreis Pinneberg hat seine komplizierten Ecken, an denen selbst erfahrene Autofahrer aus der Ruhe kommen.

Andreas Mehlhorn führt seinen Schüler zur ersten schwierigen Stelle: zur Kreuzung Bahnhofstraße/Mühlenstraße am Wedeler Bahnhof. „Wir wollen mal links abbiegen“, sagt der Fahrlehrer. Souverän meistert Johannes die Aufgabe. Wie Andreas Mehlhorn sagt, wollen viele seiner Schützlinge Stellen wie diese lieber meiden. „Das Schwierige ist, dass die von vorn kommenden Autos nicht alle rechts einlenken, sondern auch geradeaus fahren“, so der Lehrer. Die Schüler müssen sich auf zwei Spuren gleichzeitig konzentrieren.

Auch abknickende Vorfahrtsstraßen haben es in sich. Mehlhorn leitet Johannes zum Kronskramp. Johannes möchte nun in diese Vorfahrtsstraße abbiegen. Er fährt vor, um sich einen Überblick zu verschaffen – doch den Tiguan lässt er nicht weit genug rollen. Eine große Hecke auf der rechten Seitenstraße nimmt dem Fahrschüler zusätzlich die Sicht.

„So kannst du doch gar nichts sehen“, ermahnt ihn Mehlhorn. Johannes sollte sich die Stelle besser einprägen. Denn: „Dem ein oder anderen Fahrschüler hat diese Kreuzung das Genick in der Prüfung gebrochen“, schärft ihm sein Fahrlehrer ein.

Zum Verhängnis kann auch der Grüne Pfeil an einer roten Ampel werden. „Es gibt Autofahrer, die nehmen sich einfach die Vorfahrt“, sagt Andreas Mehlhorn. „Die Masse hält nicht vorher an, sondern rast einfach um die Kurve.“ Johannes macht es aber richtig. Wie vor einem Stoppschild tritt er auf die Bremse und bringt das Fahrzeug zum Stehen. Der 18-Jährige schaut nach links, ob er fahren kann. Erst dann gibt er Gas.

Eine besonders problematische Stelle, so Andreas Mehlhorn, sei der Kreisverkehr am Pinneberger Westring. Denn er ist einer der seltenen zweispurigen Kreisel. Die Regeln kennen viele Autofahrer nicht, meint Mehlhorn: „Viele denken, beim Verlassen des Kreisels gelte ein Reißverschluss-Verfahren. Aber das stimmt nicht. Derjenige, der im inneren Fahrstreifen fährt, ist wartepflichtig.“

Ein großer Teil der Autofahrer, so Mehlhorn, lebe den Neulingen im Straßenverkehr ein falsches Verhalten vor. Längst nicht jeder Verkehrsteilnehmer halte sich an die Regeln. „Der Theorieunterricht liegt etliche Jahre zurück, Fehler schleichen sich als Routine ein“, sagt der 59-Jährige. Viermal pro Woche begleitet er Schüler bei ihren Fahrprüfungen. Der Fahrlehrer ist Profi auf dem Gebiet und weiß um die Herausforderungen. „Schwierig ist, wenn etwas Außergewöhnliches passiert, das die Schüler nicht kennen“, sagt er. „Wenn das Schema, das sie kennen, wegfällt, bricht in dem Moment eine Welt zusammen, sie sind überfordert.“

Johannes Brank nimmt schon seit November Fahrstunden bei Andreas Mehlhorn. Er habe sich eben viel Zeit gelassen, sagt der 18-Jährige, der eigentlich den „Führerschein mit 17“ machen wollte und auch schon einen Mofaführerschein besitzt. Dazu Andreas Mehlhorn: „Es ist heute keine Seltenheit mehr, dass Schüler ein Jahr in der Fahrschule hängen. Das ist eine andere Generation heute.“ Eigenständige Entscheidungen zu treffen, falle den Schülern oft schwer.

Johannes hingegen kann es – das wird in der nächsten Gefahrensituation deutlich. Zwei Jugendliche und ein Erwachsener wollen auf der Vorfahrtstraße in Wedel die Seite wechseln. Die Fußgänger reagieren zögerlich, die Situation ist undurchsichtig. Doch Johannes schaltet sofort und bremst, obwohl die Fußgänger hätten stehenbleiben müssen. „Ich hätte erst gar nicht gehalten“, sagt Fahrlehrer Andreas Mehlhorn. Auch Fußgänger seien schließlich dazu verpflichtet, sich an die Regeln zu halten und auf den Verkehr zu achten. Aber Johannes habe trotzdem richtig und vorausschauend reagiert.

Am Ende seiner Fahrstunde, die mit etwas Glück seine letzte sein wird, bringt Johannes seinen Fahrlehrer und auch die Reporterin sicher zurück. Der 18-Jährige ist zufrieden. Doch bald wird es ernst. Er hat seine Pflichstunden absolviert, die Prüfung steht kurz bevor. Wie er sich jetzt auf den Ernstfall vorbereitet? „Ich werde noch ein paar Runden drehen, zusammen mit meinem Vater, auf einem Verkehrsübungsplatz.“ Ansonsten will er sich vor der Prüfung „nicht zu viele Sorgen machen“. Wie es aussieht, muss er das ja auch nicht.