Nach tragischem Vorfall im Kreis Segeberg diskutieren Experten, wie Rettungskräfte schnell Zugang zu wichtigen Fahrzeugdaten erhalten können

Kreis Pinneberg. Nach der Explosion eines verunglückten Gasautos in Rohlstorf (Kreis Segeberg), bei der zehn Feuerwehrleute zum Teil schwer verletzt wurden, liegt jetzt der Untersuchungsbericht vor. Er besagt, dass sich ein solcher Vorfall durchaus wiederholen kann. Daher pochen die Feuerwehren im Kreis Pinneberg auf Konsequenzen. „Es muss in dieser Hinsicht was passieren“, fordert Kreiswehrführer Bernd Affeldt. Er will den Vorfall bei der nächsten Tagung der Kreiswehrführer aus Schleswig-Holstein thematisieren.

Der Unfall auf der K 56 zwischen Rohlstorf und Margaretenhof , der bundesweit Schlagzeilen gemacht hatte, datiert vom 15. Mai. Ein 53 Jahre alter Mann prallte gegen 8.30 Uhr mit seinem Kleinwagen mit Tempo 80 gegen einen Baum. Als die ersten Feuerwehrkräfte eintrafen, stand das Fahrzeug in Vollbrand. Der Fahrer war noch im Wrack eingeklemmt, ihm war nicht zu helfen. Während der Löscharbeiten explodierte plötzlich das Fahrzeug. Fünf Feuerwehrleute erlitten schwere, fünf weitere leichte Verletzungen.

Laut dem Dekra-Gutachten traten durch die Kollision Bremsflüssigkeit und Getriebeöl aus und entzündeten sich wegen der starken Deformation an heißen Bauteilen des Fahrzeugs. Durch das Feuer kam es zu einem Druckanstieg im Gastank, der aufgrund einer Ablagerung im Überdruckventil nicht ausgeglichen werden konnte. Folgerichtig explodierte der Gastank. Die Anlage sei fachgerecht montiert gewesen.

„Man sollte sich Gedanken machen. So etwas kann wieder passieren, und es kann jede Feuerwehr treffen“, sagt Kreiswehrführer Affeldt. Er spricht sich für eine Kennzeichnung von Gasautos aus. Von einem Aufkleber, der auf der Front- oder Heckscheibe auf den Antrieb hinweist, hält der oberste Feuerwehrmann des Kreises nichts. „Viele Autos sind mit Aufklebern übersät, das würde schnell übersehen werden.“ Affeldt hält es für sinnvoller, ein Erkennungsmerkmal am Kennzeichen anzubringen – etwa in Form einer zusätzlichen Zahl oder einer extra Plakette.

In Deutschland gibt es eine, wenn auch freiwillige Kennzeichnung. Es handelt sich um die vom Allgemeinen Deutschen Automobil Club (ADAC) eingeführte Rettungskarte. Sie bietet den Rettern wichtige Informationen, etwa, wo an der Karosserie Spreizer und Schere anzusetzen sind oder welche Vorsichtsmaßnahmen nötig sind, um Airbags nicht nachträglich auszulösen.

Die Rettungskarte ist bei Hybrid- oder Elektroautos sinnvoll, damit die Feuerwehr beim Aufschneiden des Fahrzeugs keine Stromleitung trifft. Laut ADAC soll die Karte hinter der Fahrersonnenblende angebracht werden, bis in Europa eine elektronische Datenübermittlung an die Unfallstelle möglich ist.

„Wenn eine Kennzeichnung kommen sollte, muss sie praktikabel sein“, sagt Sönke Jacobs, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Feuerwehrverbandes. Er kann sich vorstellen, dass eine Übermittlung der wichtigsten Fahrzeugdaten mittels einer Kennzeichenerfassung erfolgen kann. „Dafür hat es 2013 eine Gesetzesänderung gegeben.“ Seit Februar 2013 könnten Rettungsleitstellen fahrzeugbezogenen Informationen anhand des Kennzeichens direkt aus der Datenbank des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) abrufen und sie an die Kräfte vor Ort übermitteln. Notwendig sei dazu jedoch eine Software, die noch nicht in allen Rettungsleitstellen verfügbar sei.

Nach dem Unfall von Rohlstorf hatte auch der Landesfeuerwehrverband Schleswig-Holstein eine Kennzeichnung von Gasautos gefordert. „Wir werden uns mit der Sache befassen müssen“, sagt Holger Bauer, Pressesprecher des Verbandes. Zunächst müsse der Dekra-Untersuchungsbericht ausgewertet werden, ehe der Verband mit konkreten Forderungen an die Öffentlichkeit gehen könne. Möglicherweise seien auch die Hersteller gefordert, konstruktive Änderungen an den Gasmotoren vorzunehmen, so Bauer weiter.

„Bei einem fachgerechten Einbau ist ein gasbetriebenes Fahrzeug nicht gefährlicher als ein Fahrzeug mit konventionellem Antrieb“, sagt Björn Seelig, Leiter der TÜV-Station in Pinneberg. Bei Gasfahrzeugen werde die Anlage alle zwei Jahre auf Herz und Nieren geprüft. „Wir können jede noch so kleine Leckage erkennen.“ Eine Ablagerung im Abluftventil allerdings werde dabei nicht sichtbar, „weil wir dort nicht reingucken können“. Der Unfall in Rohlstorf sei „durch eine Verkettung gleich mehrerer Faktoren entstanden“.