Umland-Lust – rund um Hamburg auf Entdeckungstour. Heute: Ungewöhnliche Museen in Pinneberg und Elmshorn

Nach seinem Lieblingsgerät im Deutschen Baumschulmuseum gefragt, muss Klaus Fliegel nicht lange überlegen: „Das ist die Rillenscheibe“, sagt der 66-Jährige. Mit großen Schritten durchkreuzt er die Ausstellungsfläche und steuert auf eine grüne Maschine zu. Das Gerät, das er im Visier hat, sieht aus wie eine Mischung aus Rasenmäher und Fahrrad. Noch in den 60er-Jahren wurden damit Hektar für Hektar Furchen für Saatgut in die Böden gezogen. „Ich habe selbst damit gearbeitet“, erinnert sich der pensionierte Baumschuler, der sich heute als Vorsitzender des Fördervereins für das Museum stark macht. Anstrengend sei der Job gewesen. Mittlerweile laufen viele Prozesse in seiner Branche automatisch ab. Die Baumschulwirtschaft hat in ihrer 200-jährigen Geschichte einen starken Wandel vollzogen. „Diese Entwicklung wollen wir zeigen“, sagt Museumsleiterin Heike Meyer-Schoppa.

Das Baumschulmuseum ist das einzige seiner Art in Deutschland und nur eines von diversen interessanten wie ungewöhnlichen Museen im Kreis Pinneberg. Es befindet sich im Süden der Stadt Pinneberg, nahe der A23 und ist damit von Hamburg aus schnell erreichbar. Gut angebunden an die Autobahn sind auch das Samland-Museum im Pinneberger Stadtzentrum, das an die ehemals ostpreußische Region erinnert sowie das Industriemuseum Elmshorn, das lokale Arbeits- und Alltagsgeschichte zum Thema hat. Wer will, kann die drei Stationen und die dazwischen liegende Strecke von 23 Kilometern mit dem Auto zu einem Tagesauflug verbinden.

Wer ins Navigationssystem „Halstenbeker Straße 29“ und „Pinneberg“ eintippt, verlässt die A 23 über die Abfahrt Pinneberg-Süd. Das Baumschulmuseum liegt am Ende eines Wohngebiets auf der Grenze zu Halstenbek. Parkplätze gibt es auf dem Grundstück. Die Sammlung befindet sich in einer ehemaligen Baumschulhalle. Etwa 3000 Exponate umfasst die Schau, darunter Kuriositäten wie ein Saatfahrrad. Ein Porsche-Traktor aus dem Jahr 1958 begeistert nicht nur kleine Jungs.

Das Museumsteam hat erst vor wenigen Wochen das Ausstellungskonzept verändert. Die Stücke stehen nun in einem historischen Zusammenhang, Arbeitsmethoden der Vergangenheit werden mit Techniken der Moderne verglichen. Außerdem sind Infotafeln dazugekommen. „Wir bieten eine Mischung aus Baumschul- und Regionalgeschichte“, sagt Fliegel.

Gegliedert ist die 800 Quadratmeter große Präsentationsfläche in sechs Bereiche: Am Eingang erläutern Dokumente und Bilder die Anfänge des Baumschulwesens im 18. Jahrhundert: Die Abholzung der Wälder zur Gewinnung von Brenn- und Baustoffen machte eine geregelte Forstwirtschaft notwendig. Baumschulen entstanden, in denen die erforderlichen Gehölze gezüchtet wurden. In Klein Flottbek, damals noch Teil des Kreises Pinneberg, gründete der schottische Landschaftsgärtner James Booth 1798 die erste Baumschule. Bald gab es Nachahmer. Heute zählt der Kreis Pinneberg zu den größten zusammenhängenden Baumschulgebieten der Welt und trägt den Beinamen „Wiege des Waldes“.

Der zweite Bereich der Sammlung widmet sich der Bodenbearbeitung. Besonders auffällig ist eine etwa zwei Meter hohe Abbildung eines Baums. Im Wurzelbereich hat das Werk Schubladen mit verschiedenen Bodenarten. Auf der Höhe von Stamm und Ästen gibt es Fächer mit Samen und Rinden. Öffnen und Anfassen ist ausdrücklich erwünscht. Weiter geht es mit den Abschnitten Vermehrung, Verschulen, Pflege der Kulturen sowie Versand und Handel. Vor der Museumshalle lässt sich mit dem Spaten das Verschulen, also das Umpflanzen an einen anderen Standort, in einem Beet üben.

Mit der Geschichte und Kultur des Samlands, der zum ehemaligen Ostpreußen und heute zu Russland gehörenden Region rund um Kaliningrad, setzt sich das Samland-Museum am Fahltskamp 30 auseinander. Vom Baumschulmuseum ist die Ausstellung über die A 23 (Ausfahrt Pinneberg-Mitte) in knapp zehn Minuten zu erreichen. Eine Besichtigung ist allerdings nur nach Anmeldung möglich. Verantwortlich für den Museumsbetrieb ist die Kreisgemeinschaft Fischhausen. Der Verein entstand 1950, als sich ehemalige Bewohner des aus den Kreisen Fischhausen und Königsberg-Land bestehenden Samlands zusammenschlossen. Ihr Ziel war es, den Kontakt zu Familienmitgliedern und Freunden in der neuen Heimat wiederherzustellen und zu pflegen. Unterstützung erhielt die Gruppe schon bald von offizieller Seite: Im März 1951 beschloss der Pinneberger Kreistag, eine Patenschaft für den Samlandkreis Fischhausen zu übernehmen. Mit dieser Initiative waren die Pinneberger bundesweit Vorreiter.

Als Zentrale dient der Gemeinschaft seit 1972 der erste Stock eines Fachwerkhauses aus dem 18. Jahrhundert. Eine Geschäftsstelle mit kleiner Fachbibliothek und vier Ausstellungsräumen unterhält die Gruppe dort. Wer die niedrigen Zimmer mit dem rot lackierten Dielenboden betritt, bekommt ein Gefühl von samländischem Leben bis 1945. Die ältesten Museumsstücke sind Schwerter aus der Ära der Ordensritter. Eine Vitrine zeigt Bernsteinarbeiten, für die das Samland berühmt ist. Fotos erinnern an die 1901 gegründete Vogelwarte in Rossitten (Rybatschi), der ersten ornithologischen Forschungsstation der Welt. Außerdem sind Trachten, Karten und Alltagsgegenstände zu sehen. Prunkstück ist das Holzmodell eines Kurenkahns.

Mithilfe des digitalen Gästebuchs werden Kontakte geknüpft

„Bei uns haben Nachgeborene die Möglichkeit, etwas über ihre Wurzeln zu erfahren“, sagt Marion Gehlhaar, zweite Vereinsvorsitzende. Dass ein Interesse bei Jüngeren besteht, zeigt ein Blick in das digitale Gästebuch auf der Internetseite der Kreisgemeinschaft. Dort bitten Menschen weiterhin um Informationen über Familienangehörige und Nachbarn ihrer Eltern und Großeltern.

Auch Martina Lopau möchte mehr über ihren 2007 verstorbenen Vater Herbert Paul Steinke und seine Heimat wissen. Deshalb kommt sie an diesem Vormittag ins Samland-Museum. „Mein Vater hat nicht viel über sich erzählt“, bedauert die 58-Jährige. Ahnenforschung könne der Verein nicht betreiben, erklärt ihr Monika Ziegler vom Vereinsvorstand. „Wir vermitteln aber Kontakte zu Ansprechpartnern“. Immerhin enthalte die Vereinskartei 3600Namen.

Die dritte Station der Tagestour ist das Industriemuseum Elmshorn, das sich mit lokaler Arbeits- und Sozialgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts beschäftigt. Die Fahrt vom Samland-Museum dauert knapp 20 Minuten. Auch dieses Mal führt der Weg über die A23. Zu finden ist das Industriemuseum in einem ehemaligen Fabrikgebäude an der Catharinenstraße 1. Am Elmshorner Bahnhof, der drei Minuten entfernt ist, stehen Parkplätze zur Verfügung.

„Wer das Museum betritt, taucht sofort in eine andere Welt ein“, ist sich Museumsmitarbeiter Alexander Römer sicher. Direkt neben der Eingangstür stoßen die Gäste auf eine hölzerne Stempeluhr von 1920, mit der sie Start- und Endzeit ihres Museumsbesuchs auf ihre Eintrittskarte drucken können. „Solche Uhren dienten früher dem Erfassen der Arbeitszeit“, erklärt Römer. Daneben steht eine mehr als drei Meter hohe Dampfmaschine, die bei Führungen angeworfen wird. Eine alte Schreibmaschine sowie ein Telefon mit Wahlscheibe schmücken den Nachbau eines Kontors. Kinder sind eingeladen, die historischen Büromaschinen zu benutzen.

Überhaupt spielen die jüngeren Besucher im Industriemuseum eine große Rolle. In allen vier Etagen gibt es Exponate zum Anfassen und Experimentieren. Die Museumsmaus Bertha kennzeichnet die Stationen, an denen Kinder in Aktion treten dürfen. Dazu gehören eine Getreidemühle und eine Nähmaschine mit Tretpedal. Sehenswert ist auch der Kolonialwarenladen von 1875. Dort kann man sechs Gerüche erraten. Eine Arbeiterküche mit Plumpsklo und Schweinestall von 1910 steht in scharfem Kontrast zu den eleganten Möbeln einer Elmshorner Fabrikantenfamilie. Im Foyer lässt sich kostenlos ein Detektivkoffer mit Arbeitsheft ausleihen, mit dem kleine Spürnasen auf Entdeckungstour gehen können.

„Beliebt ist auch das historische Klassenzimmer in der obersten Etage“, sagt Römer. Gäste nehmen dort auf Holzbänken Platz. Bei Führungen werden Griffel und Tintenfässer verteilt. Römer: „Ich erlebe oft, dass sich Großeltern zu ihren Enkeln setzen und dann von ihrer eigenen Schulzeit erzählen. Dieser Moment ist für beide Generationen ein schöner Abschluss des Besuchs“.