Schleswig-Holstein Musik Festival: „Tatort“-Ikone begeistert mehr als 1000 Zuschauer in der ausverkauften Bootshalle

Wedel. Er ist ziemlich kurz und – freundlich gesagt – stämmig gewachsen. Zerknautschte Jeans, Kapuzenpulli und Anglerweste verstärken das Image des kleinen Manns von nebenan, des grundsätzlich entspannten Normalos, der auf Äußerlichkeiten offenkundig pfeift. Ebenso gut könnte er in diesem Bühnenkostüm Unkraut jäten, paddeln gehen oder mit Chips und Bier auf dem Sofa abhängen. Der denkbar modefernste Schnauzbart und eine konturlose Hängefrisur, die den Popperhaarschnitt der 80er-Jahre persiflieren könnte, komplettieren den Auftritt eines Mannes, der eine Art uneitler, gelegentlich rebellischer Hemdsärmeligkeit zu seinem Markenzeichen gemacht hat.

Der Schauspieler und Münsteraner „Tatort“-Kommissar Axel Prahl gibt sich als der deutsche Anti-Star schlechthin. Und war trotzdem natürlich der gefeierte Mittelpunkt des poppigsten und anti-klassischsten Konzerts, das das Schleswig-Holstein Musik Festival in diesem Sommer im Kreis Pinneberg zu bieten hat. Kaum eine der 14 Veranstaltungen war so schnell ausverkauft wie diese.

Mehr als 1000 Zuhörer in der Wedeler Bootshalle wickelte der gebürtige Eutiner, der nach dem Abitur in Neustadt/Holstein zunächst ein paar Semester Mathematik und Musikwissenschaft studiert hatte, an diesem Abend um den kleinen Finger. Sie lachten willig, sobald er scherzte. Sie sangen und klatschten auf sein Zeichen. Nach drei mitreißenden Konzertstunden feierte die ganze Halle ihn und das neunköpfige Inselorchester unter Leitung von Danny Dziuk mit stehenden Applausgewittern. Und das völlig zu Recht.

Denn Prahl ist ein geborener Unterhalter und solider Gitarrist. Zwar war sein Auftritt keine musikalische Offenbarung. Doch deswegen waren die Zuschauer ja auch nicht nach Wedel gepilgert. Prahl ist einfach Kult. Die Figur des von ihm seit 2002 verkörperten Ermittlers Frank Thiel ist die beliebteste unter allen „Tatort“-Kommissaren. Die spannende Frage an diesem Abend lautete folglich: Was kann der erfolgreiche Schauspieler Prahl als Sänger? Wie kommt er menschlich rüber, wie viel Prahl steckt im Thiel?

Nimmt man diesen Auftritt als Maßstab, dürfte das eine Menge sein. Selbstironisch frotzelte Prahl mit seinem komödiantischen und musikalischen Sparring-Partner Dziuk über eigene Unzulänglichkeiten und die des Publikums, verteilte Seitenhiebe an Branchengrößen wie Grönemeyer, Naidoo und Lindenberg, ätzte gegen Oberflächlichkeit und leere Politfloskeln.

Vor allem aber sang und spielte er mitreißend. Tatkräftig und höchst einfühlsam unterstützten ihn die vielseitigen Saitenzauberer, Tastenkönige und der Blasinstrumente-Tausendsassa Michael Götz vom Inselorchester. Die vergleichsweise üppig besetzte Band unterlegte Prahls Hommagen an seine Hausgötter Gershwin, Lennon/McCartney, Reiser oder den DDR-Liedermacher Gerhard Gundermann mit einem Klangteppich allererster Güte.

Besonders in den selbst komponierten und getexteten Liedern nach der Pause erlaubte er seinen Zuhörern einen Einblick in die vielschichtige Prahlsche Gefühlswelt. In nachdenklichen Liebeskummer-Balladen wie „Wieso bist du immer noch da“ oder „Weitergehen“ ließ Prahl hinter der Fassade des sympathischen Bühnenkaspers tiefe Melancholie aufschimmern. Er rockte – „Bla, bla, bla“ –, jazzte, unternahm mit kehliger Reibeisenstimme und bemerkenswert virtuosem Gitarrenspiel hörenswerte Ausflüge in die Reiche von Blues, Chanson und Swing. Dabei wirkte er aber nie beliebig, sondern blieb authentisch. Wie immer Axel Prahl auch in Wirklichkeit tickt, eines ist nach diesem Konzert mal sicher: Prahl hat Spaß an der Musik und am launigen Flirt mit dem Publikum. Das wirkte ansteckend. Bleibt zu hoffen, dass er wiederkommt.