Vier Wohnraumberater helfen Senioren, wenn sie Barrieren in der Wohnung beseitigen wollen

Pinneberg. Ein Unfall hat das Leben von Wera Lange dramatisch verändert. Beim Fahrradfahren brach sich die Mitarbeiterin des Seniorenwerks im Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein im November 2010 den linken Unterschenkel. Vier Monate saß sie zu Hause im Rollstuhl. „Da hatte ich viel Zeit nachzudenken“, sagt die 55-Jährige.

Das Ergbnis des Nachdenkens ist beachtlich: Wera Lange hat gemeinsam mit ihrem Mann ein neues Haus gebaut, auf dem Grundstück des alten in Ellerbek. Und sie hat eine Zusatzausbildung zur zertifizierten Wohnberaterin gemacht und ist im Seniorenwerk für den Schwerpunkt Wohnen im Alter verantwortlich.

„Ich habe im Rollstuhl erlebt, dass unser altes Haus aus den 1950er-Jahren nicht senioren- und behindertengerecht war“, sagt Wera Lange. Die Türen waren zu schmal, es gab Treppen und Absätze. Das neue Haus, 2012 erbaut, liegt auf einer Ebene. „Ich komme mit den Wäschekörben problemlos an den Türpfosten vobei, und wir können uns auch noch in höherem Alter autonom bewegen.“

Alt werden in den eigenen vier Wänden – damit beschäftigt sich Wera Lange auch beruflich. Gemeinsam mit ehrenamtlichen Wohnraumberatern hat sie die Wohnberatung/Wohnanpassung des Seniorenwerks ins Leben gerufen, zuerst in der Schenefelder Sozialberatung am Osterbrooksweg. Ab Dienstag, 2. September, arbeitet die Wohnberatung „für eine selbstständige Lebensführung in den eigenen Wänden“ im Seniorenwerk des Kirchenkreises Hamburg-West/Südholstein in der Bahnhofstraße 18 - 24 in Pinneberg. Die Wohnraumberater sind immer dienstags von 9.30 Uhr bis 11.30 Uhr erreichbar – auch unter der Rufnummer 04101/845 05 18. „Sonst läuft ein Anrufbeantworter, wir rufen zurück“, sagt Wera Lange.

Viele Wohnungen und Häuser sind auch im Kreis Pinneberg nicht so geplant und gebaut worden, dass sich auch im Alter und bei Behinderung gut darin leben lässt. „Nur etwa fünf Prozent der Wohnungen in Deutschland sind geeignet für Menschen, die auf Gehstock, Rollator oder Rollstuhl angewiesen sind“, sagt Wera Lange. „Deshalb wird für viele das eigene Zuhause zum Gefahrenherd. Die Anzahl derer, die stürzen und dadurch pflegebedürftig werden, ist nicht zu unterschätzen.“

Die Erfahrung der ehrenamtlichen Wohnraumberater ist indes: Oft können schon kleine Veränderungen die Sicherheit und die Lebensqualität entscheidend erhöhen. „Dazu gehören die Beseitigung von Stolperfallen, das Anbringen von Haltegriffen im Bad sowie eine gute Beleuchtung“, sagt Wohnraumberater Bernd Egerland aus Rellingen. Der 70-Jährige kommt gemeinsam mit Waldemar Frerichs, 70, aus Halstenbek und Brigitte Riek, 74, aus Halstenbek nach Hause in die Wohnung, wenn in den vier Wänden der Schuh drückt. Bernd Egerland ist Architekt im Ruhestand. „Ich habe einen geübten Blick und sehe die Missstände schnell.“ Vor kurzem war Bernd Egerland zu Besuch bei einem älteren Herrn, der in einem Einfamilienhaus in Halstenbek lebt. Der Herr kann draußen nur mit einem Rollator gehen.

Bis zum 70. Lebensjahr sollte jeder wissen, wo er später wohnen will

„Was mich sofort störte, war ein Briefkasten, der in 90 Zentimeter Höhe vor dem Handlauf an der Wand befestigt war. So kam der Herr mit dem Rollator schlecht an den Handlauf. Es kostet ja kaum etwas, den Briefkasten zu verlegen.“

Mal sind es preiswerte Verbesserungen wie Handgriffe und Lampen, die Diplom-Ingenieur Bernd Egerland empfiehlt. Mal kostet die Hilfe gar nichts – dann wird einfach eine Kommode im Flur oder ein Telefontisch verrückt. Und manchmal spricht er mit den Senioren über teurere Maßnahmen, wie den Einbau von ebenerdig begehbaren Duschen, von Liften und Rampen. „Während meiner Ausbildung zum Ingenieur in den 1970er-Jahren wurde in Deutschland noch nicht an Behinderte gedacht“, sagt Bernd Egerland. „Bis zum 70 Lebensjahr sollte jeder wissen, wo er später wohnen will.“