Eine Glosse von Bibi Maass

Manchmal ist ein Gewitter in der Luft, jedenfalls in meiner Familie. Nicht immer donnert es auch, aber gestern kam ein regelrechter Taifun auf.

Der mangelnde Ordnungssinn meines Sohnes – er hatte wieder einmal etwas verschlampt – löste den ersten Sturm aus. Ich keife los, er brüllt zurück.

Mitten in dieses Gewitter schneit meine Tochter. Statt Gut-Wetter zu machen, heizt sie die Spannung an, wütend bezichtigt sie ihren Bruder, ihren MP3-Player ungefragt ausgeliehen und nicht zurückgebracht zu haben. Der Streit eskaliert.

Sie schreit: „Gib ihn mir sofort zurück!“, er brüllt: „Den hab ich bei einem Freund vergessen.“ Sie keift mich an: „Er klaut mir immer Sachen, und du machst nichts!“ Jetzt ist die Mutter wieder an allem schuld – aber die ist sowieso schon auf Zinne...

Der Taifun erreicht seinen Gipfel, als mein Mann dazukommt und sofort explodiert. Er knallt mir einen Holzteller vor die Füße, der mitten entzwei bricht. Ich bekomme einen Wutausbruch, gegen den ein Donnerknall nur wie ein Popcorn-Plopp klingt.

Als das Gewitter vorbeigezogen ist, sitze ich an meinem Computer und gehe Facebook-Nachrichten durch. Während meine Hände noch von der abschwellenden Wut zittern, darf ich dort lesen: „Haben heute diesen leckeren Kuchen gebacken (Foto)“ und: „Genieße den Feierabend bei einem Bierchen (Foto)“. Darunter finde ich das Bild einer grinsenden Familie mit zwei niedlichen kleinen Kindern, die postet: „Eine glückliche Familie – could it be better?“

Ich poste zurück „Wartet's ab!“ und füge ein Foto des zerbrochenen Holztellers hinzu. Jetzt fühle ich mich besser. Ich kann über unseren Streit schon wieder lachen – und diese Glosse verfassen!