Vom Flugplatz Uetersen-Heist startet ein Tragschrauber. Das Ultraleichtflugzeug könnte auch als Konstruktion von Daniel Düsentrieb durchgehen

Heist/Uetersen. Was ist denn das für ein Ding? Viele Besucher des Flugplatzes Uetersen-Heist wundern sich über das seltsame Vehikel, das dort nach der Landung über die Grasnarbe zum Stellplatz hoppelt. Auf den ersten Blick scheint es sich um eine Konstruktion des genialen Entenhausener Erfinders Daniel Düsentrieb zu handeln. Doch auch als Fliewatüüt aus dem Kinderprogramm des Fernsehens könnte das knallgelbe Luftfahrzeug gut durchgehen.

Der sich gemächlich drehende Rotor deutet mehr auf einen Hubschrauber hin. Doch das stimmt auch nicht. Denn im Helikopter sitzt man nicht hintereinander im Freien, wie die zwei Personen an Bord des merkwürdigen Fluggeräts.

Einer, der sich auskennt mit dem Ungetüm, ist Martin Brünn. Der Hobby-Pilot aus Henstedt-Ulzburg steuert die Maschine und erklärt den staunenden Zuschauern gern, dass es sich um einen Tragschrauber handelt. Bei diesen auch als Gyrocopter bezeichneten Ultraleichtflugzeugen wird nicht, wie beim Hubschrauber, der Rotor angetrieben, sondern ein im Heck montierter Druckpropeller, der dafür sorgt, dass der Tragschrauber ins Rollen kommt. Der Fahrtwind lässt den Drehflügel immer schneller rotieren, sodass der Gyrocopter abheben kann.

Das klingt komplizierter als es ist, macht aber vor allem in der Praxis eine Menge Spaß, wenn man Freude am Fliegen hat. So wie Sarah Lehmann, die als Fluggast fast wie auf dem Motorrad hinter dem Piloten sitzt. „Das war einfach toll”, sagt die Pinnebergerin. Wenn es um die Faszination des Fliegens geht, ist sie dabei. Im Laufe der Jahre hat die Rechtsanwalts-Fachangestellte als Passagierin schon alle möglichen Luftfahrzeuge ausprobiert. In großen Verkehrsmaschinen ist Sarah ebenso mitgeflogen wie im Hubschrauber und in Klein- und Privatflugzeugen. Zu einem Törn im Segelflugzeug hat sie sich mitnehmen lassen und ist sogar schon mit dem Heißluftballon unterwegs gewesen. „Der Gyrocopter fehlte noch in meiner Sammlung”, sagt Sarah Lehmann. Den eineinhalbstündigen Flug mit Zwischenlandung auf dem Flugplatz Hungriger Wolf bei Itzehoe und Rückflug über Glückstadt und entlang der Elbe hat sie zu ihrem 30. Geburtstag geschenkt bekommen – von ihrem Freund. Jetzt ist sie total begeistert und würde am liebsten gleich noch mal in die Luft gehen.

Passagiere des Tragschraubers sind – wie auch der Pilot – mit einem wärmenden Overall geschützt. „Schließlich sollen unsere Fluggäste nicht frieren, sondern die Tour genießen”, sagt Martin Brünn. Hinzu kommt ein Schutzhelm, der mit Bordfunk ausgestattet ist, und so den Kontakt zum Piloten herstellt. Ohne die Funkunterstützung wäre es kaum möglich, sich zu verständigen. Denn der Fahrtwind rauscht trotz der kleinen Windschutzscheibe im Cockpit, und auch der Druckpropeller im Heck knattert kräftig.

Die Sitzposition ist tatsächlich der auf einem Motorrad oder Motorroller ähnlich. Allerdings verfügt der Tragschrauber über Rückenlehnen, und die Füße sind auch beim Sozius sicher unter der Rumpfverkleidung untergebracht. Ein Vierpunkt-Gurtsystem hält die Insassen auch bei steileren Flugmanövern sicher im Sitz.

Aber was heißt überhaupt Insassen? Pilot und Begleiter sind im Freien Wind und Wetter praktisch unmittelbar ausgesetzt. Natur pur. „Doch das macht ja gerade den Reiz des Tragschraubers aus“, sagt Brünn, „man sitzt nicht in einer engen Kabine, wo man sich vielleicht noch den Kopf am Dach stößt.“ Dafür ist der Blick nach unten aus 450Metern Höhe umso spektakulärer. Wenn der Pilot dann den Gyrocopter noch in eine steile Kurve legt, kann keine noch so windige Jahrmarktsattraktion mithalten.

Gelenkt wird der sehr wendige Tragschrauber per Steuerknüppel. Mit diesem Stock, der ein Vorläufer des modernen Joysticks sein könnte, werden Manöver wie Steigen, Sinken und Kurven ausgeführt. Die Lenkbewegungen werden auf den Rotor übertragen, der entsprechend seine Neigung ändert. Zusätzlich gibt es noch ein mit den Fußpedalen verbundenes Seitensteuer im Heck. Doch für normale Flugmanöver wird dies nach Brünns Angaben unterwegs kaum benötigt.

Die beruhigende Konstante an Bord ist der sich nun mit 300 Umläufen pro Minute drehende Rotor. Mit einem Durchmesser von 8,40 Metern überragt der Drehflügel das nur gut fünf Meter lange Fluggerät. Der Rotor übernimmt die Funktion der Tragfläche eines herkömmlichen Flugzeugs. „Unterm Strich ist ein Gyrocopter sogar noch sicherer“, sagt Martin Brünn. Denn selbst bei einem Motorausfall des Heckpropellers bleibt der Tragschrauber stabil. Das ist der Autorotation zu verdanken, dem selbstständigen Drehen des Rotors. Ohne den Vortrieb des Heckpropellers sinkt der Tragschrauber bei sehr langsamer Geschwindigkeit kontrolliert zu Boden. Zur Landung genügt eine Rollstrecke von zehn bis 15 Metern. Lediglich beim Start wird, um den Rollweg zu verkürzen, für ein paar Sekunden Motorkraft auf den Drehflügel gelenkt, der ab 200 Umdrehungen selbstständig durch den Vortrieb weiterrotiert.