Wedeler Dressurreiterin Maike Günthner ist mit ihrer Freundin in Wellington. Das Reit-Eldorado in Florida schätzen auch Promis wie Bruce Springsteen

Wellington . Reitsport ist ihr Leben – dieser Satz trifft auf die Freundinnen Jasmin Nussbaumer, 46, und Maike Günthner, 21, zu. Die beiden Wedelerinnen sind erfolgreiche Dressurreiterinnen, haben wichtige Turniere gewonnen und Auszeichnungen erhalten. Nun unternehmen sie erstmals zusammen eine Reise an einen Ort, der als das Paradies des Reitsports gelten darf. Die Rede ist von Wellington im US-Sonnenstaat Florida, eine Autostunde von Miami entfernt. Reitsportler aus aller Welt kommen hier zusammen, um unter den besten Bedingungen zu trainieren und zu arbeiten.

Jasmin Nussbaumer, beruflich als Unternehmensberaterin tätig, hat in Wellington einen zweiten Wohnsitz. Der Pferdesport ist ihr Hobby, aber sie kauft auch Pferde ein und verkauft sie weltweit. Maike Günthner hingegen ist ausgebildete Berufsreiterin. Sie ist zum ersten Mal in dem Ort an der US-Ostküste, der auch ein Rückzugsort für die Reichen und Schönen ist. Der Einladung ihrer Freundin ist sie spontan gefolgt. In Wellington möchte sie die Gelegenheit nutzen, sich bei Reitställen als Trainerin vorzustellen. „Wenn ein guter Stall mit interessanten Dressurpferden dabei ist, bleibe ich gleich da“, sagt Maike Günthner. Und wenn es nicht klappt, wird es eben ein schöner Urlaub. Das Abendblatt konnte die beiden Frauen eine Weile begleiten.

Dass die Uhren in der rund 56.000 Einwohner großen Gemeinde im Palm Beach County ganz anders ticken als im Kreis Pinneberg, macht Jasmin Nussbaumer deutlich. „Jeder Reiter hat hier seinen eigenen Reitstall mit mindestens zehn Pferden und zwei oder drei fleißigen Mexikanern, die nur für das Wohl der Pferde zuständig sind. Du bist in Wellington, du musst hier ganz anders denken.“

Maike Günthner ist überwältigt von dem Ort und seinen Möglichkeiten. Kilometerlang erstrecken sich die Anwesen im satten Grün. Alle privaten Anlagen sind über Reitwege verbunden, die mindestens so breit sind wie deutsche Bundesstraßen.

Das gesamte Reitgebiet für Polospieler, Dressur- und Springreiter entspricht der Fläche von Holm, Waldenau, Appen, Thesdorf, Halstenbek und Wedel sowie Klövensteen und Schenefeld zusammen. Auf Pflege und Dekoration der Reitwege wird penibel geachtet, Sand- und Graswege gehen nahtlos ineinander über.

In einer der privaten Reitanlagen möchte sich Maike Günthner vorstellen. Es geht zu dem internationalen Dressurreiter Marco Bernal, der in Wellington einen renommierten Reitstall betreibt und zurzeit eine weitere Anlage aufbaut.

Maike Günthners Fähigkeiten sind in Deutschland vielfach bestätigt. 2013 holte sie bei zwei wichtigen Turnieren, auf dem Catharinenhof in Wedel und in Hanerau-Hademarschen, die ersten Plätze. Zudem verlieh ihr die Deutsche Reiterliche Vereinigung kürzlich die Stensbeck-Plakette, eine Auszeichnung für junge hervorragende Reiter.

In den USA allerdings gelten Titel wie diese nicht so viel. Was zählt, das ist der Eindruck. „Zeig mir, was du kannst“, sagt Marco Bernal und schaut ganz genau hin. Schon nach kurzer Zeit ist er restlos begeistert: „Maike reitet mein Problempferd richtig gut und sitzt federleicht im Sattel.“ Die junge Wedelerin, so meint er, könne gleich hierbleiben.

Maike Günthner ist überrascht und geschmeichelt. Nun stehen wichtige Überlegungen an. Soll sie gleich in Wellington bleiben oder noch einmal zurückfliegen, traut sie sich den Wechsel in die USA wirklich zu? Einige schlaflose Nächte liegen vor ihr.

Wellington ist von November bis April Treffpunkt für die internationale Dressur-, Spring- und Polo-Szene. Mehr als 3000 Reiter aus rund 40 Nationen gehen an den Start, unter ihnen deutsche Starreiter wie Meredith Michaels-Beerbaum, Lars Petersen, Lisa Wilcox und Janne Friederike Meyer.

Eine Pferdebox kostet pro Monat 3500 bis 5000 US-Dollar Miete

Fünf Tage in der Woche finden hier Turniere in allen Klassen statt. Die Startgebühren liegen zwischen 300 und 1500 US-Dollar. Für die Zeit der Turniere werden die Pferde in Reitställen wie jenem von Marco Bernal trainiert.

Seine Kunden bezahlen pro Reitstunde 300 US-Dollar, ein eigenes Pferd mit entsprechender Qualität muss mitgebracht werden. Die Boxenmiete liegt zwischen 3500 und 5000 US-Dollar im Monat. „Nach oben gibt es hier für Pferde, Häuser und Stallungen keine Grenzen“, sagt Maike Günthners Freundin Jasmin Nussbaumer.

In Wellington lebt mittlerweile auch die in Südafrika geborene Dressurreiterin Neve Myburgh, die einmal in Wedel Pferdeausbilderin war. Sie sagt: „Was hier abläuft, kann sich kein normaler Mensch vorstellen. Ich habe viel auf der Welt gesehen, aber nach Wellington kommt lange nichts.“

Hausbesitzer halten sich meistens bedeckt, Namen stehen nicht an den Briefkästen oder Haustüren, alles läuft über einen vier- bis sechsstelligen Zahlencode. Bill Gates, Gründer des Computerkonzerns Microsoft, hat hier einen Wohnsitz, New Yorks ehemaliger Bürgermeister Michael Bloomberg ebenfalls. Und auch Jessica Springsteen besitzt in Wellington ein Anwesen. Die Tochter des Rockstars Bruce Springsteen ist begeisterte Springreiterin. Kürzlich gewann sie eine Prüfung in den Niederlanden, bei der Global Champions Tour, die so etwas wie die Formel 1 des Reitsports ist. Vater Bruce reist häufig mit seiner Tochter zu den Turnieren und ist in der Hauptsaison oft auf den Turnierplätzen in Wellington anzutreffen.

Die rund 20 Kilometer vom Atlantik entfernt liegende Gemeinde ist schon seit Jahrzehnten ein Ferienort für Promis. Das Thema Pferde steht mehr und mehr im Mittelpunkt. In den vergangenen Jahren ist Wellington ein exklusiver Markt für clevere Händler geworden. Aus Deutschland und aus Holland werden mittlerweile pro Jahr mehr als 2500 Pferde überführt.

Für Reitsportfans ist Wellington einfach ein Fest für die Sinne – so auch für Maike Günthner. „Diese Welt fasziniert und beeindruckt mich.“ Ihr Entschluss steht nun fest: Sie will bleiben und in Marco Bernals Reitstall arbeiten, für ein Quartal oder ein halbes Jahr. Dafür steht zunächst allerdings ein Flug nach Deutschland an: Behördengänge müssen getätigt, Formalitäten erledigt werden – bevor der Traumjob im Paradies beginnen kann.