Gemeinde stellt Strafantrag. Nach Brandserie in Rellingen versetzt angebliches Bekennerschreiben Menschen in Angst

Rellingen. Nach der Serie von Autobränden in Rellingen ist ein mögliches Bekennerschreiben aufgetaucht. Im sozialen Netzwerk Facebook droht der angebliche Täter weitere Anschläge in der Gemeinde an und verkündet, künftig auch Menschen verletzen zu wollen. Die Gemeinde hat inzwischen Strafantrag wegen Bedrohung gestellt.

„Das Ganze ist beschämend“, sagt Bürgermeisterin Anja Radtke. Sie wisse, dass viele Bürger Rellingens aufgrund der Brandserie verängstigt und besorgt sind. „Ich werde alles dafür tun, damit Ruhe einkehrt“, so die Verwaltungschefin. Es sei wichtig, wieder zur Normalität zurückzukehren. „Wir dürfen den Tätern keinen Raum geben. Das ist das Werk einzelner, das ist nicht Rellingen.“ Dennoch nehme sie die Drohung sehr ernst, sagt die 50-Jährige. „Wir als Gemeinde sind betroffen und haben bereits Strafantrag gestellt.“

Die Gemeinde wurde selbst Opfer des Brandstifters. In der Nacht zum 28. Juli ging der Fiat Skudo der Jugendpflege, der hinter dem Rathaus parkte, in Flammen auf. Auch die Fassade des Verwaltungsgebäudes sowie ein weiterer Dienstwagen wurden beschädigt. Die Schadenshöhe liegt bei mindestens 50.000 Euro. In der Nacht brannte es auch in einem Carport an der Schmiedestraße, dabei wurde ein weiteres Fahrzeug zerstört. Bei weiteren Fahrzeugbränden in der Nacht zum 29. Juli sowie in der Nacht zum 4. August wurden sechs Autos beschädigt.

„Die Polizei hat ihre Präsenz vor Ort erhöht“, sagt Sandra Barenscheer, Sprecherin der Polizeidirektion Bad Segeberg. Die Ermittler würden „mit Hochdruck an der Aufklärung der Taten arbeiten“, so die Sprecherin weiter. Auch bezüglich des angeblichen Bekennerschreibens werde ermittelt. Barenscheer: „Wir nehmen das zunächst einmal ernst.“ Die Ermittler seien dabei herauszufinden, von welchem Internetanschluss die Kommentare in dem sozialen Netzwerk kämen.

Die Ermittler gehen nach Abendblatt-Informationen davon aus, dass weitere Taten zu der Brandserie gehören. So hat es im Rellinger Ortskern bereits im Juni und auch Anfang Juli 2014 mehrere Brandstiftungen gegeben. Immer wieder taucht dabei die Straße An der Rellau auf. In der Nacht zum 30. Juni brannte dort eine am Straßenrand abgestellte Altpapiertonne mit einem Fassungsvermögen von 240 Litern.

Am Abend des 30. Juni stand im Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses ein Kinderwagen in Flammen. Weil der Rauch den Bewohnern den Fluchtweg abschnitt, löste Wehrführer Jürgen Timm Vollalarm für die Rellinger und die Egenbüttler Wehr aus. Am Morgen des 1. Juli brannte erneut eine Flasche mit einer brennbaren Flüssigkeit im Treppenhaus des Gebäudes, wieder rückten alle verfügbaren Kräfte aus. Auch ein Pkw-Brand am Morgen des 2. Juli passt in das Schema. Als die Feuerwehrleute am Falkengrund eintrafen, stand dort ein Mercedes-Taxi im vorderen Bereich im Vollbrand. Trotz des Einsatzes von 500 Litern Löschwasser konnte ein Totalschaden des Fahrzeugs nicht vermieden werden. Auch waren zuvor dutzende Autoreifen im Ortszentrum zerstochen worden.

„Es ist schlimm genug, dass Autos beschädigt werden. Aber das jetzt mit Gewalt gegen Menschen gedroht wird, ist eine neue, schockierende Dimension“, sagt Bürgermeisterin Anja Radtke. Nicht nur die Verwaltungschefin, auch viele Einwohner der Gemeinde werden sich an die Geschehnisse des Jahres 2007 erinnern, als zwei Jugendliche monatelang im Ort Angst und Schrecken verbreiteten. Die Ereignisse von damals weisen Parallelen zu den Taten von 2014 auf.

Zwei damals 19 und 20 Jahre alte Heranwachsende, die als „Apfelfestbomber“ durch die Medien gingen, hatten angeblich ganz Rellingen den Krieg erklärt und per ferngesteuerter Bombe einen Anschlag auf das beliebte Apfelfest geplant. Ein bis an die Zähne bewaffnetes Spezialkommando der Polizei nahm die Täter am 26. September 2007 in den elterlichen Wohnungen fest. Der Prozess vor dem Landgericht Itzehoe endete jedoch am 2. Juli 2008 mit einem Freispruch in diesem Anklagepunkt. Für die Richter blieben trotz zahlreicher Indizien Zweifel, dass bei den Angeklagten tatsächlich ein konkreter Tatentschluss vorlag.

Verurteilt wurde das Duo trotzdem – und zwar wegen mehr als 100 einzelner Straftaten. Darunter Brandstiftungen, Sachbeschädigungen, Reifenstechereien, ein Buttersäureanschlag und die Sprengung eines Zigarettenautomaten. Der angerichtete Schaden lag bei deutlich über 70.000 Euro.

Der jüngere Täter, der aus Ellerbek stammte, musste eine dreijährige Jugendstrafe absitzen. Sein ein Jahr älterer Komplize, ein Rellinger, wurde zu einer dreieinhalbjährigen Jugendstrafe und der Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik verurteilt. Laut einem Sachverständigen stellte der damals 20-jährige Angeklagte eine „Gefahr für die Allgemeinheit“ dar, er habe einen regelrechten „Hass auf Menschen“ entwickelt und aus dieser Motivation heraus gehandelt.

Das war 2008. Sechs Jahre später befindet sich der Rellinger in Freiheit. Er wohnt wieder im Ortszentrum der Gemeinde. Genau dort, wo nun wieder Anwohner in Angst leben. Vor einer Vorverurteilung warnt Bürgermeisterin Radtke ausdrücklich. „Wir leben zum Glück in einem Rechtsstaat“, sagt sie. Jeder Bürger sei so lange unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist.

„Diese Sachen können nur von der Polizei geklärt werden. Alles andere wäre fehl am Platz.“ Die Gemeinde stehe in Kontakt zu den Ermittlern und auch zur Feuerwehr. Sicherheitshalber hat die Verwaltungschefin prüfen lassen, ob die Schließanlage und die Brandmeldeanlage des Rathauses funktionieren. Das ist zum Glück der Fall. Weitere Schritte seien zunächst nicht geplant. „Wir als Verwaltung können ohnehin nicht viel tun“, so die Bürgermeisterin weiter. „Das ist Sache der Polizei. Ich habe volles Vertrauen, dass unsere Polizei den oder die Täter fassen wird.“